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Buchrezension: „Bis wir uns fanden“ von Nanasaki Ryousuke

Manuel Piwko
Manuel Piwko

Das autobiographische Werk eines japanischen LGBTQ+-Aktivisten erzählt von Identitätsfindung, gesellschaftlichen Zwängen und fehlender Akzeptanz gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe. Doch es wartet auch mit einer Botschaft auf, die hoffnungsvoll auf die Zukunft blicken lässt.

Zwei Eheringe auf einem Tablett aus schwarzem Holz mit japanischem Muster.
Nanasaki erzählt wie es ist, als Homosexueller in Japan zu leben, wo die gleichgeschlechtliche Ehe nach wie vor gesetzlich nicht vorgesehen ist. © Piwko

Homosexualität ist in Japan weder verboten noch unter Strafe gestellt. Dennoch bleibt es ein Tabu-Thema. Auch die gleichgeschlechtliche Eheschließung ist in Japan noch nicht möglich und bleibt ein unerfüllter Traum vieler Menschen. „Bis wir uns fanden“ von Nanasaki Ryousuke dokumentiert den Weg des Autors von seiner Kindheit bis zum Tag der ersten, religiös anerkannten Eheschließung – doch bis dahin war es ein langer Weg.

Von unerwiderter Liebe und der Suche nach sich selbst

Nanasaki lädt den Leser auf eine autobiographische Reise ein, in der viele dunkle Phasen die Zerbrechlichkeit eines jungen, unsicheren Mannes widerspiegeln. Er berichtet vom Versuch, sich den gesellschaftlichen Normen anzupassen, aber dabei sein wahres Ich zu verleugnen. Zwar ist Homosexualität in Japan toleriert, aber dennoch “sticht man dabei aus der Masse heraus” und wird dafür missbilligt. In frühen Jahren sieht Nanasaki daher keinerlei Möglichkeit, sich selbst zu akzeptieren und fühlt sich selbst als Abnormität und vor allem: allein. Er sehnt sich vergeblich nach emotionaler und körperlicher Nähe und leidet immer wieder an unerwiderter Liebe gegenüber männlichen Freunden, denen er sich letztendlich nicht vollkommen öffnen kann. Erst als er sich selbst und seine sexuelle Orientierung akzeptiert, beginnt ein neuer Lebensabschnitt für ihn.

Der lange, steinige Weg zur Gleichberechtigung

Nanasaki hat sehr lange gebraucht, bis er bei seinem wahren Ich angekommen ist, doch nach vielen Bekanntschaften und Liebschaften keimte in ihm immer mehr der Wunsch auf, den Mann fürs Leben zu finden und, den gesetzlichen Einschränkungen zum Trotz, zu heiraten. „Bis wir uns fanden“ erzählt mit einer leichten, unaufgeregten Erzählweise über dessen Bemühungen, diesen Traum zu erreichen. Dank dieses Traums wächst er vom ziellosen, depressiven Jungen zu einem Aktivisten heran, der sich bis heute für die Gleichberechtigung von Menschen der LGBTQ+-Community einsetzt. Er ist für viele Menschen ein Vorbild geworden und schenkt Mut und Hoffnung – auch durch das Buch selbst. Denn auch wenn es eine Geschichte ist, die von den dunklen Facetten eines schwulen Mannes in Japan berichtet, so spendet es Betroffenen letztendlich Kraft und vermittelt ihnen, dass sie nicht allein sind – vielleicht sogar eine der stärksten und wichtigsten Botschaften von „Bis wir uns fanden“.

tokyo rainbow prideQueer in Japan: Lage der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und TransgenderIm April 2015 erkannte die Lokalregierung Shibuyas gleichgeschlechtliche Partnerschaften an. Landesweit folgten andere Gemeinden. Im Juni 20...31.03.2017

Roman oder Manga?

Der Roman erschien zeitgleich mit einer Manga-Adaption, welche die Lebensgeschichte des Autors mit Illustrationen von Tsukizuki begleitet. Die Bilder sind wunderschön umgesetzt und auch die aus dem „Boys Love“-Genre bekannten, anzüglichen Szenen sind nie übertrieben dargestellt und bewahren sich eine ansprechende Ästhetik. Allerdings wird im Manga die Geschichte nicht vollumfänglich behandelt und die verschiedenen Lebensabschnitte werden etwas verkürzt abgebildet. Daher ist der Roman die bessere Wahl, wenn man in die Autobiographie von Nanasaki Ryousuke eintauchen möchte.

Seite aus dem Manga "Bis wir uns fanden" (Nanasuke und sein Partner stecken sich Ringe an)
BOKU GA OTTO NI DEAU MADE © 2021 Ryousuke Nanasaki / Yoshi Tsukizuki / BUNGEISHUNJU

Fazit

„Bis wir uns fanden“ von Nanasaki Ryousuke bietet einen interessanten und nahen Einblick in eine Gesellschaft, in der Toleranz nicht gleichzeitig bedeutet, sich problemlos entfalten zu können. Es ist eine ungeschönte Erzählung über Ausgrenzung, Identitätsfindung und Selbstakzeptanz, aber auch darüber, dass es sich lohnt, für die Liebe einzustehen. Ein lebensbejahender Roman, der auf eine Zukunft hoffen lässt, in der solche Geschichten der Vergangenheit angehören.

Coverbild "Bis wir uns fanden" von Nanasaki Ryosuke
© Carlsen

Nanasaki Ryousuke – „Bis wir uns fanden“

Aus dem Japanischen von Doreaux Zwetkow

Erschienen am 31.05.2022 im Hayabusa Verlag

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