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Kirschblüten und Dämonen: Doris Dörries Geistergeschichte

Sina Arauner
Sina Arauner

„Kirschblüten und Dämonen“ von Doris Dörrie ist eine deutsch-japanische Geistergeschichte. Der Film setzt „Kirschblüten – Hanami“ fort und lief in Deutschland Anfang März 2019 in den Kinos an. Die Regisseurin spricht mit JAPANDIGEST über ihren Film und Japan.

In ihrem Film „Kirschblüten und Dämonen“ setzt Doris Dörrie die Geschichte um die Familie Angermeier aus „Kirschblüten – Hanami“ fort.

Genauer gesagt, dreht sich der zweite Teil um den jüngsten Sohn der Familie, Karl. Nach dem Tod beider Eltern Trudi und Rudi ist Karl das Ruder über sein Leben aus der Hand geglitten. Er leidet unter der Trennung von seiner Frau und Tochter, trinkt maßlos und auch der Kontakt zu seinen Geschwistern ist abgebrochen. Karl kämpft mit seiner Vergangenheit und mit der Beziehung zu seinen Eltern, die ihm als Geister erscheinen. Auch andere Dämonen plagen Karl und es fällt ihm immer schwerer, zwischen Realität und Illusion zu unterscheiden.

Plötzlich steht Yu (Irizuki Aya) vor seiner Tür. Rudi hatte in „Kirschblüten Hanami“ die letzten Tage vor seinen Tod in Tōkyō mit der quirligen Japanerin verbracht. Nun möchte sie das Bauernhaus der Familie Angermeier und das Grab Rudis mit Karl besuchen. Konfrontiert mit seiner Vergangenheit, beginnt Karl sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen.

Die Konflikte mit seinen Geschwistern werden ebenso thematisiert wie die Identitätskrise, in der Karl sich befindet. Erst Yu brachte den Impuls in Karls Leben, nach Antworten auf die Fragen zu suchen, die die meisten von uns irgendwann beschäftigen. Wer bin ich? Woher komme ich? Welche Rolle spielt die Beziehung zu meinen Eltern? Was für Menschen sind meine Eltern überhaupt?

Wie schon zuvor bei seinem Vater, führt auch Karls Weg ihn zurück nach Japan, wo er zum ersten Mal seit langer Zeit, oder vielleicht auch in seinem Leben, frei seine Flügel schwingt. Gelöst von gesellschaftlichen Erwartungen, wie ein Mann zu sein hat, kann Karl sich endlich von den Geistern seiner Vergangenheit befreien und beginnt, zu sich selbst zurück zu finden.

Drei Fragen an Doris Dörrie

Warum haben Sie Karl als Protagonisten des Films gewählt?

Karl hatte schon im ersten Teil die größten Probleme von allen Kindern. Er konnte sich nicht von seiner Mutter trennen und ist ihretwegen damals bis nach Tōkyō gegangen, um sich zum einen von ihr zu entfernen, zum anderen aber ihren Lebenstraum zu erfüllen. Er war einsam, hat zu viel getrunken, und das hat sich in den letzten zehn Jahren alles nur verschärft.

Welche Rolle spielt Japan in den Konflikten, denen Karl, aber auch sein Vater Rudi im ersten Teil begegnen?

Japan fordert beide heraus, in der Fremde das Fremde in sich selbst zu befragen und die alten Rollen hinter sich zu lassen. Gleichzeitig werden sie durch Japan beschützt und zärtlich bei ihrer Identitätssuche begleitet, was auch immer meine Erfahrung in Japan war.

Worin sehen Sie das Potenzial einer Geistergeschichte, wie der Film eine ist, für die persönliche Entwicklung der Figuren?

Wir alle werden durch die Vergangenheit definiert, und Geister, die uns nicht in Ruhe lassen, sind eine Metapher dafür. Ob man an sie tatsächlich glaubt, oder sie nur als Metapher begreift, ist letzten Endes nicht entscheidend. Wichtig ist die Erkenntnis, dass die verdrängte, unverarbeitete Vergangenheit große Schatten auf die Gegenwart wirft, wenn man sich ihr nicht stellt.


Lesen Sie mehr im Printmagazin April 2019, in dem Doris Dörrie über ihr Bild von Japan berichtet.

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