Bereits in den Hitachi no Kuni Fudoki (Chroniken der Provinz Hitachi) aus dem 8. Jahrhundert erscheint der Fuji als heiliger Ort, bewohnt von den Göttern. Im Abschnitt über den „Landkreis Tsukuha“ wird in Form einer alten Legende erklärt, warum sich Menschen auf dem benachbarten Berg Tsukuha versammeln, während der Fuji einsam und schneebedeckt dasteht – ein Gipfel der Stille und Erhabenheit, dem sich niemand leichtfertig nähert.
Auch in der ältesten Gedichtsammlung Japans, dem Man’yōshū, wird der Fuji in poetischer Sprache verehrt. In einem berühmten Vers heißt es:
Das Licht der Sonne ist verborgen;
Der Schein des Mondes ist nicht zu sehen –
Nicht einmal die weißen Wolken wagen sich heran.
Der Fuji erscheint hier als überirdischer Ort, so mächtig, dass selbst Himmelskörper vor ihm zurückweichen. Nur der Schnee, der nicht einmal in der Sommersonne schmilzt, darf seine Spitze berühren – ein Sinnbild für die unvergängliche, spirituelle Kraft des Berges. In solcher Symbolik wird der Fuji zu einem festen Pfeiler im geistigen und kulturellen Gefüge Japans.

Vom Tabu zum Kult: Die Entstehung der Fujikō-Bewegung
Über viele Jahrhunderte war der Aufstieg zum Fuji allein Mönchen und asketischen Praktizierenden der Shugendō-Lehre vorbehalten. Für das einfache Volk galt der Heilige Berg als unantastbar. Erst in der Edo-Zeit (1603–1868) wandelte sich dies mit dem Aufkommen der Fujikō-Bewegung, religiöser Laiengemeinschaften, die sich der Fuji-Verehrung widmeten. Um charismatische Führer, sogenannte sendatsu (spirituelle Wegweiser), scharten sich Pilgergruppen, die sich nun selbst auf den heiligen Pfad wagten. Besonders in Edo, dem heutigen Tōkyō, blühte diese Bewegung auf und verbreitete sich rasch in benachbarte Regionen wie Musashi und Sagami (heute Teil der Präfektur Kanagawa). Eine zur damaligen Zeit bekannte Redewendung lautete:
Edo hat 808 Viertel, Edo hat 808 fujikō.
Anhand dieser lässt sich heute rekonstruieren, wie tief diese Glaubensform im städtischen Alltag verankert war.
Die Entstehung der Mini-Fuji
Doch trotz der Entstehung einer solchen Bewegungen, konnte noch immer nicht jeder den beschwerlichen Aufstieg zum Fuji antreten. Alte Menschen, Kranke – und bis ins 19. Jahrhundert auch Frauen – blieben von der Wallfahrt ausgeschlossen. Um dennoch eine vergleichbare spirituelle Erfahrung zu ermöglichen, begannen die Fujikō-Gemeinschaften damit, symbolische Fuji-Berge in ihrer Umgebung zu errichten: die fujizuka.
Diese künstlich aufgeschütteten Miniaturberge wurden mit Lavagestein vom echten Fuji gestaltet und erhielten rituelle Stationen, kleine Schreine sowie Steinmonumente, die den realen Berg nachempfunden waren. Besonders bedeutungsvoll war das sogenannte tainai („Mutterschoß“), ein Höhlen- oder Tunnelabschnitt im Inneren des Hügels, der die symbolische Wiedergeburt des Pilgers darstellen sollte.

Berühmte fujizuka
Der erste fujizuka Edos wurde im Jahr 1780 von Takada Tōshirō und dessen Gefolgschaft im damaligen Dorf Totsuka errichtet (heutiger Stadtteil Takadanobaba). Sein sogenannter Takada-Fuji erreichte eine Höhe von zehn Metern, war mit allen charakteristischen Elementen des echten Fuji ausgestattet – von Wegmarken über Schreine bis hin zu Gedenksteinen –, und entwickelte sich schnell zu einem beliebten Pilgerort. Noch heute existiert der Hügel auf dem Gelände des Mizuinari-Schreins nahe der Waseda-Universität, wohin er 1963 verlegt wurde.
Weitere bekannte Mini-Fuji entstanden in Meguro, der Moto-Fuji (1812) mit zwölf Metern Höhe sowie der benachbarte Shin-Fuji (1819). Ihre eindrucksvolle Gestaltung wurde von Utagawa Hiroshige in seiner Serie Einhundert Ansichten von Edo verewigt. Mit der Expansion des modernen Tōkyō verschwanden jedoch viele dieser Anlagen.
Besonders verehrt wurden die sogenannten „Sieben Fuji von Edo“. Die Zahl ist eher symbolisch zu verstehen, denn historische Quellen nennen deutlich mehr heilige Hügel. Einige davon haben bis heute überdauert, etwa in Ekoda, Jūjō, Otowa, Takamatsu, Sendagaya, Shitaya-Sakamoto und Shinagawa. Auch außerhalb Tōkyōs existieren bedeutende Nachbildungen, wie der Kizoro-Fuji in Kawaguchi (Präfektur Saitama), der bereits 1800 errichtet wurde und zu den ältesten erhaltenen fujizuka des Landes zählt.

Fujizuka heute: Zwischen Ritual und Stadtentwicklung
Naturkatastrophen, Stadtbrände und der Zweite Weltkrieg haben viele fujizuka zerstört. Dennoch existieren allein im Raum Tōkyō heute noch über 60 Miniatur-Fuji, viele davon begehbar und mit kulturellen Veranstaltungen verbunden. Einige moderne fujizuka dienen allerdings eher touristischen Zwecken: So wurde 2016 im Stadtteil Asakusa ein 1,5 Meter hoher Mini-Fuji feierlich eingeweiht.
Heutzutage werden fujizuka meist von lokalen Schreinen, Nachbarschaftsvereinen oder engagierten Freiwilligen gepflegt. Doch die fortschreitende Urbanisierung setzt ihnen zu: Platzmangel, Nutzungsbeschränkungen und schwindende Festkultur gefährden ihre Rolle als spirituelle Stätten. Umso wichtiger ist es, diese einzigartigen Orte der Volksfrömmigkeit zu bewahren – als lebendiges Erbe eines religiösen Kultes, der den Fuji nicht nur als Berg, sondern als Weg der inneren Einkehr verstand.
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