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Katastrophenschutz und -vorbereitung in Japan

Matthias Reich
Matthias Reich

Der 1. September ist Tag des Katastrophenschutzes in Japan und bekanntermaßen gibt es gerade dort in Sachen Katastrophen zu beachten: Hochwasser, Erdrutsche, Erdbeben, Tsunami, Vulkanausbrüche – die Gefahren sind vielfaltig. Daher spielt die Vorbereitung auf den Ernstfall eine große Rolle, die bereits im Kindergarten beginnt.

Tsunami-Warnschild
Ein Schild, das vor Tsunamis warnt.

Was Naturkatastrophen anbelangt, hat Japan bei der Wahl seines Standorts, salopp gesagt, etwas Pech gehabt: Der Archipel liegt direkt am Pazifischen Feuergürtel, und unweit von der Pazifikküste bei Tōkyō treffen auch noch gleich drei Platten aufeinander: Tektonisch ist Japan deshalb so aktiv wie nur wenige andere Länder auf der Erde. Doch nicht nur das: Die japanische Küste ist insgesamt knapp 30.000 Kilometer lang und mehr als 70 % des Landes sind sehr bergig. Überall droht Gefahr – durch Tsunami, Hochwasser, Erdrutsche, von den fast überall auftretenden Erdbeben ganz zu schweigen.

Katastrophenvorbereitung von kleinauf

Doch Japan zeigt in puncto Katastrophenschutz sehr gut, wie man mit den meisten Gefahren umgehen kann. Die Zahlen sprechen dabei Bände: Kamen in den ersten zehn Jahren nach Ende des 2. Weltkrieges im Schnitt knapp 2.000 Japaner pro Jahr durch Naturkatastrophen ums Leben, so waren es in den vergangenen 10 Jahren um die 200 Personen[1]. Die Statistik trügt jedoch etwas, denn es kommt immer wieder zu Großereignissen wie dem schweren Erdbeben und Tsunami im Jahr 2011, bei dem über 22.000 Menschen ihr Leben verloren.

Die Katastrophenschutzerziehung an den Schulen obliegt in Japan dem Bildungsverband der jeweiligen Präfektur, aber in der Regel werden eine, manchmal auch zwei Übungen pro Monat an Grundschulen abgehalten. Das Schema ist dabei meistens gleich: Über die Sprechanlage wird der Katastrophenfall ausgerufen. Den Kindern wird dabei eingebläut, auf das Ende der Nachricht zu warten, bis sie sich bewegen sollen – das bedeutet in der Regel sich unter den Tischen zu verstecken, um sich danach geordnet und unter Aufsicht der Lehrer auf dem Schulhof zu versammeln, wo dann die Anwesenheit kontrolliert wird. In Kindergärten bekommen die Kinder zumeist auch noch eine Art Kissen, das sie sich über den Kopf stülpen können, um sich so vor herabstürzenden Teilen zu schützen.

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Mit Zunahme des Alters nimmt die Anzahl der Übungen ab. An einer Oberschule wird im Schnitt 4-mal pro Jahr für den Ernstfall geprobt. Je nach Region fällt die Übung dabei unterschiedlich aus. In der Präfektur Kagoshima im Süden Japans zum Beispiel muss auch für den Ernstfall eines heftigen Vulkanausbruchs des Sakurajima geübt werden – und entlang der Pazifikküste muss in tiefer gelegenen Stadtteilen für den Fall eines Tsunamis geübt werden.

Schulen als Evakuierungszentren

Grund- und Mittelschulen spielen beim Katastrophenschutz eine enorm wichtige Rolle. Japanreisenden fallen die Bauten schnell ins Auge – sowie die Tatsache, dass sich die meisten Schulen, vor allem die Grundschulen, oft sehr ähneln. Das liegt an einer im Jahr 1982 erlassenen Richtlinie, die besagt, dass die Schulen besonders erdbebensicher gebaut werden müssen. Unzählige Schulen, die die Voraussetzungen nicht erfüllten, wurden deshalb abgerissen und neu gebaut. Zudem gelten die meisten Schulhöfe als Evakuierungstreffpunkte – dort gibt es kleine Lager mit dem Notwendigsten, und im Ernstfall werden die Menschen der Umgebung dazu aufgerufen, sich auf dem jeweiligen Schulgelände einzufinden. Aus diesem Grund sind Schulhöfe vor allem in dicht bebauten Gebieten die einzigen großen Freiflächen, an denen es keine oberirdischen Stromleitungen gibt.

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Eine typische japanische Grundschule.
Eine typische japanische Grundschule am 1. September, dem Tag des Katastrophenschutzes.

Daten von 2021 zufolge sind heute 99,6 % der insgesamt knapp 110.000 Schulgebäude in Japan besonders erdbebensicher. Per Definition bedeutet dies, dass sie mindestens ein Erdbeben der Stärke 6+ der japanischen Skala (die sich nicht nach der Stärke des Erdbebens, sondern nach den potenziellen Schäden richtet; der Höchstwert ist 7) überstehen. In Sachen Erdbebensicherheit sind vor allem die Grundschulen in Japan deshalb absolute Weltklasse. Leider reicht das jedoch nicht immer aus – bei Vulkanausbrüchen und bei Tsunamis werden immer wieder Schulgebäude getroffen, da sie in manchen Fällen einfach an ungünstigen Orten stehen.

Und noch zwei kleine, interessante Fakten am Rande:

  • Ein Teil der hunderttausenden Getränkeautomaten in Japan sind so ausgerüstet, dass sie im Katastrophenfall ihren Inhalt kostenlos hergeben.
  • Viele größere Straßen sind ausgewiesene Katastrophenschutzstraßen. Diese werden nach einem schweren Erdbeben umgehend für den normalen Straßenverkehr gesperrt, um sicherzugehen, dass Feuerwehr, Krankenwagen und Militär schnell zur Hilfe eilen können.

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