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Augen auf im Verkehr – wie ticken japanische Autofahrer?

Matthias Reich
Matthias Reich

Andere Länder - andere Sitten. Das gilt auch für den Straßenverkehr. Da laufen in Japan einige Dinge anders als in Deutschland. Ein kleiner Ratgeber zum Thema japanische Autofahrer für deutsche Autofahrer, aber auch Radfahrer und Fußgänger.

Keijidousha: Japanischer kleinwagen

Wer sich in Japan ein Auto kauft oder mietet, wird schnell ein paar Hürden bemerken. Die größte Hürde ist für viele die Tatsache, dass Linksverkehr herrscht, aber da gibt es noch einiges mehr.

Straßenschilder und Markierungen

In Japan gibt es zahlreiche Straßenschilder, die es anderswo nicht gibt. Und da Japan etwas Besonderes ist, sind einige Schilder, vor allem aber etliche Fahrbahnmarkierungen, komplett auf Japanisch. So gibt es zum Beispiel kein Schild für “Hauptstraße” – stattdessen wird in den Nebenstraßen groß “Anhalten” auf den Boden gepinselt, auf Japanisch, versteht sich. Immerhin sind aber die meisten Wegweiser inzwischen mit Englisch versehen, was früher selten der Fall war.

Markierungen auf japanischer Straße
Die Markierungen auf Japans Straßen können ganz schön verwirrend sein.

Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit

Gibt es unterwegs eine Baustelle, so ist diese meist sehr großzügig abgesperrt und mit lebenden, manchmal auch mit automatisierten Winke-Elementen versehen. Vorsicht ist dennoch geboten, denn die Baustellenwinker sind gelegentlich nicht bei der Sache oder reichlich unerfahren.

Fußgängerüberwege

Obwohl das japanische Straßenverkehrsgesetz das Anhalten an Fußgängerüberwegen verlangt, ignorieren 95 % der Autofahrer dies mit Freude. Warum? Ursache unklar. Wahrscheinlich liegt das am folgenden Punkt:

Polizei, Radarfallen und Co.

Radarfallen sind eine echte Rarität in Japan, ebenso Rotlichtblitzer, Kurvenblitzer und andere “Fallen”. Aufpassen muss man jedoch vor den 覆面パトカー (fukumen patokaa), Polizeiautos in Zivil, und den 白バイ (shirobai), den weißen Polizeimotorrädern. Erstere sind vor allem auf den Autobahnen unterwegs – meist jedoch nur auf ganz bestimmten, immer gleichen Strecken. Fahren also alle ganz langsam auf der Autobahn, ist Vorsicht geboten. Setzt sich der Fahrer im Auto, das man gerade überholt, einen Helm auf (Pflicht für die Polizisten bei der “Verfolgungsjagd”), ist es bereits zu spät.

Die weißen Motorräder hingegen warten gern an Kreuzungen und ähnlichen, gefährlichen Punkten, um Missetäter zur Strecke zu bringen. Da die Polizei jedoch nicht allzu sehr präsent ist und Blitzer fehlen, sind Raserei und das Überfahren roter Ampeln in Japan leider sehr üblich.

Stadtverkehr

Vorsicht: In vielen Straßen gibt es keine Bürgersteige, und es kann, auch wegen der vielen oberirdischen Elektrizitätsmasten, sehr eng werden. Da ist schnell Fingerspitzengefühl gefragt. Außerdem gibt es erstaunlich viele beschrankte Bahnübergänge, von denen einige mehr als die Hälfte der Zeit geschlossen sind, da die Zugfrequenz so hoch ist. Da sich hier Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer auf engstem Raum mischen, kann es schnell gefährlich werden.

Autobahnen

Hier gilt generell 100 km/h – nur auf einer Teststrecke zwischen Nagoya und Tōkyō sind mittlerweile zum Teil bis zu 130 erlaubt. Die meisten sind jedoch gern mindestens 20 bis 30 km/h schneller unterwegs – sofern kein Stau herrscht, was in Großstadtnähe aber eine Seltenheit ist. Die Autobahnen sind in der Regel sehr effizient geführt, gut gepflegt – und kosten ordentlich Maut. Wer allein unterwegs ist, ist gut damit beraten, die Preise für Flugzeug, Bahn und Autobahnfahrt zu vergleichen.

Autobahnmaut in Japan
In Japan gibt es eine Autobahnmaut.

Radfahrer

Immerhin ist es seit wenigen Jahren verboten, entgegen der Fahrtrichtung zu fahren – machen tun es trotzdem noch viele. Auch sind vielen Radfahrern die Vorfahrtsregeln fremd, weshalb nur allzu häufig Radfahrer einfach so aus den Nebenstraßen herausgeschossen kommen. Radwege gibt es in den Städten – leider – nur selten, und wenn es sie gibt, sind diese in der Regel zugeparkt.

Mit dem Fahrrad in der Großstadt TōkyōZwar gibt es in den japanischen Großstädten nur wenige ausgezeichnete Radwege. Trotzdem sind viele Japaner mit dem Fahrrad unterwegs – vor a...11.10.2016

Parkplätze

Wer in den Großstädten keinen eigenen Parkplatz vorweisen kann, darf erstmal gar kein Auto kaufen. Und sofern man kein eigenes Haus hat, kosten Parkplätze schon mal gern um die 300 Euro pro Monat. Von Parkgebühren von bis zu 2 Euro pro 10 Minuten mal ganz abgesehen.

Parkende Autos auf einem Parkplatz in Japan
Parkplätze sind in Japan ganz schön teuer.

TÜV & Co.

Jedes Jahr sollte man eine Inspektion machen lassen – auf freiwilliger Basis – und alle zwei Jahre die 車検 (shaken), die Pflichtabnahme, ähnlich dem TÜV. Allein an Gebühren kostet diese in der Regel weit über 500 Euro, so dass man selbst ohne nennenswerte Mängel rund 1.000 Euro einplanen sollte.

Alles in allem sind japanische Autofahrer, im Vergleich zu manch anderen Nationen, relativ sanftmütig. Sicher, es gibt auch hier Drängler und Raser, und wie eingangs erwähnt, werden Fußgänger liebend gern ignoriert. Doch man geht halbwegs gut miteinander um, lässt auch mal vor – und bedankt sich für jeden noch so winzigen Gefallen mit dem kurzen Anschalten der Warnblinkanlage.

Übrigens: Der deutsche Führerschein muss in Japan im Zuge eines Behördengangs umgeschrieben werden, um damit in Japan Auto fahren zu dürfen. Das ist jedoch nur eine Formalie – Prüfungen werden nicht verlangt.

Schalter zum Umschreiben des Führerscheins in Japan
Um in japan Auto fahren zu dürfen, muss man zunächst seinen Führerschein umschreiben lassen.

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