Am Bahnhof Shibuya, mit bis zu zwei Millionen Gästen täglich einer der verkehrsreichsten Bahnhöfe Japans, gibt es so viele Ausgänge, dass man sich als Neuling schon mal verlaufen kann. Am besten orientiert man sich an den Schildern, die zum „Hachikō Exit“ führen, denn dort landet man direkt im Zentrum des Geschehens. Sobald man den Hachikō-Platz erreicht, wird man begrüßt von Hunderten, gar Tausenden Menschen – meist junge Leute, die in Shibuya ihre Freizeit verbringen. Besonders bei Nacht entfaltet sich ein grelles Farbenspiel aus Neonreklamen und schallender Werbung, die aus scheinbar dutzenden Lautsprechern ertönt. Überquert man die berühmte Shibuya-Kreuzung findet man sich in einem Labyrinth aus größeren und kleineren Gassen wieder, wo sich dicht an dicht Geschäfte, trendige Clubs und Restaurants reihen, kilometerweit und über mehrere Stockwerke hinauf.
Wer plant viel einzukaufen, der findet beinahe alles, was sein Touristenherz begehrt, denn hier gibt es unzählige Möglichkeiten. Das Einkaufszentrum „109“, dessen ikonisches Gebäude fester Bestandteil des Stadtbezirks geworden ist, beheimatet über 100, vor allem an junge Frauen gerichtete, Modegeschäfte. Internationale Marken wie Adidas, H&M, Apple oder Zara betreiben riesige Stores, und auch große japanische Marken wie Muji und Uniqlo haben hier mit ihre größten Filialen. Loft und Tokyu Hands sind ein Mekka für Leute, die nach Künstlerbedarf, praktischen Produkten des alltäglichen Lebens oder einfach nur coolen Souvenirs suchen wollen – um nur einige zu nennen.
Shibuya (渋谷) ist ein Ort des Konsums, der Moderne und der Jugend. So war Shibuya der erste Bezirk in ganz Japan, der gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkannte. Dies erlaubt homosexuellen Paaren u.a. eine gemeinsam eine Wohnung zu mieten oder gleiche Rechte wie Familienmitglieder bei medizinisch relevanten Entscheidungen zu haben, auch wenn dies nicht gleichbedeutend mit einer Ehe oder rechtlich verbindend ist.
Ähnlich wie Asakusa fiel der Bezirk den amerikanischen Bombenangriffen während des Zweiten Weltkrieges zum Opfer und wurde anschließend als kommerzielle Hochburg neu erfunden, die sich besonders in den 70er- und 80er-Jahren nach dem Durst der Jugend nach Popkultur, Konsum und Mode richtete. Besonders berühmt ist ebenfalls Shibuyas Nachtleben mit seinen zahlreichen Clubs, Bars und Livehäusern.
Sehenswürdigkeiten
Hachikō
Hachikō dürfte vielen Deutschen ein Begriff sein. Spätestens durch die amerikanische Verfilmung (2009) mit Richard Gere in der Hauptrolle fand die rührende Geschichte eines Akita-Hundes, der jeden Tag sein Herrchen vom Bahnhof abholt, seinen Weg in die westliche Welt. Dabei ist Hachikō keineswegs Fiktion: In den 1920er-Jahren ging der Universitätsprofessor Ueno Hidesaburo jeden Tag zum Bahnhof Shibuya und fuhr zur Arbeit. Dabei wurde er stets von seinem Akita Hachikō begleitet, der ihn jeden Abend wieder an der Station abholte. Als Ueno 1925 plötzlich verstarb, hinderte es Hachikō nicht daran, auf sein Herrchen vergeblich zu warten und er kam einfach am folgenden Tag wieder. Und am darauffolgenden, neun Jahre lang.
Zunächst galt Hachikō als Störenfried am Bahnhof, doch als 1932 eine Zeitung über den Hund berichtete, wurde er schlagartig zu einer Berühmtheit und letztlich zum Inbegriff wahrer Loyalität. 1934 wurde ihm zu Ehren eine Bronzestatue errichtet. Im Zweiten Weltkrieg wurde diese jedoch eingeschmolzen, um das Material für Kriegszwecke zu verwenden und 1948 erneut aufgestellt. Hachikō verstarb 1935, doch durch seine herzerwärmende Geschichte lebte sein Andenken weiter, bis sie schließlich zum Symbol des Bezirks und einer ganzen Nation wurde.
Zusammen mit dem Hachikō-Platz vor der JR Station Shibuya gilt die Statue des treuen Hundes als ein extrem beliebter Treffpunkt und Fotospot für Touristen und Einheimische. Auf dem Gelände der Universität Tōkyō, an der Ueno Hidesaburo lehrte, steht eine weitere Statue: Hachikō und sein geliebtes Herrchen endlich wieder vereint.

Shibuya Crossing
Nachdem Sie Ihr Foto mit Hachikō geschossen haben, erwartet Sie nur ein paar Meter weiter das nächste Highlight, für das Shibuya fast noch berühmter ist: die große Kreuzung, an zu der Stoßzeiten Hunderte Menschen gleichzeitig die Straße überqueren. Zwei riesige Hauptstraßen trennen die Kreuzung, auf der alle Ampeln – vertikal, horizontal und diagonal – gleichzeitig auf Grün schalten. Das Herz Shibuyas pocht hier unaufhörlich laut vor einer Kulisse aus hell leuchtenden Neonschildern und mächtigen Bildschirmen, die Shibuya zum Inbegriff des chaotischen und doch organisierten, schillernden Tōkyō machen. Noch mehr Spaß als die Kreuzung selbst zwischen viel zu vielen Körpern zu durchqueren, macht es, sie von oben herab zu bestaunen. Auf der gegenüber liegenden Seite der Kreuzung liegt eines der wohl berühmtesten Starbucks-Cafés der Welt, wo man an dessen Fensterfront im ersten Stock einen perfekten Blick auf den gesamten Bahnhofsvorplatz hat. Viel Glück dabei, einen der begehrten Tresenplätze am Fenster zu ergattern.

Shibuya Scramble Square
Der neueste Zuwachs in Shibuyas prächtiger Reihe an Wolkenkratzern ist der Shibuya Scramble Square, im Oktober 2019 eröffnet und direkt am Bahnhof gelegen. Mit einer Höhe von 230 Metern und 47 Stockwerken ist er zudem das höchste Gebäude des Bezirks und verfügt über Büroräume, zahlreiche Shoppingmöglichkeiten und eine große Aussichtsplattform mit ungehindertem Blick auf die berühmte Kreuzung. Das Aussichtsdeck mit dem treffenden Namen Shibuya Sky bietet auf 229 Metern Höhe ein fantastisches 360° Panorama über die Dächer der Stadt. Tickets gibt es online oder vor Ort, doch beachten Sie, dass die Tickets zeit- und datumsgebunden sind.

Bunkamura
Einige Gehminuten vom Bahnhof Shibuya entfernt, befindet sich Bunkamura, eines der größeren Kulturzentren der japanischen Metropole. Eröffnet im Jahre 1989 beinhaltet es ein Theater, eine Konzerthalle (vor allem für klassische Musik oder Opern) sowie ein Museum mit wechselnden Ausstellungen zu moderner Kunst, die jedes Jahr Millionen Besucher anziehen. Darüber hinaus kann man hier in edlen Restaurants speisen oder z.B. in einem Swarovski-Geschäft teuren Schmuck erwerben. Das Kino „Le Cinéma“ zeigt ausgewählte, kulturell besonders wertvolle Filme vor allem aus Europa und Asien. Bunkamura ist wie eine kleine Oase der Ruhe und der Kreativität inmitten des lauten Trubels der Jugend, das drum herum vorherrscht.
Daikanyama
Auch das „Brooklyn Tōkyōs” genannt ist Daikanyama ein charmantes, kultiviertes Viertel, bekannt für seine eleganten Boutiquen und Vintage-Läden. Etwa 15 Minuten Fußweg vom Bahnhof Shibuya entfernt, erwartet Sie hier fernab vom lauten Zentrum eine reizvolle Ansammlung an architektonisch wertvollen Gebäuden, guten Restaurants und kleinen Konditoreien, die zum Brunchen einladen. Mit zahlreichen Salons, Mode- und Designergeschäften ist Daikanyama ein Treffpunkt der Kreativen, der an einem entspannten Nachmittag zum Flanieren einlädt.
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