Bizarres Essen in Japan: Können Sie Nattō, Wal & Co. essen?!

von Hannah Janz
Maden?! Keineswegs: Auf diesem japanischen Hot Dog hat ein Babyfisch-Massaker stattgefunden. © hirotomo t / Flickr CC2.0

Stinkende Sojabohnen, Wal, Fisch-Innereien – viele bizarre japanische Spezialitäten finden Europäer nicht unbedingt genießbar. Das Essen gilt in Japan aber oft als Delikatesse! JAPANDIGEST stellt Ihnen japanisches Essen mit Schaudergarantie vor.

„Können Sie das essen?“ Als Ausländer wird man das in Japan oft gefragt. Viele Japaner sind stolz auf die japanische Küche und wissen ganz genau, was es im Ausland so nicht gibt. Delikatessen und Spezialitäten unterstreichen im Bewusstsein vieler Japaner die Einzigartigkeit der japanischen Kultur – zumal auch jede Region ihre eigenen Spezialitäten hat.

Diese japanischen Gerichte müssen Sie kennen!Gerichte wie Sushi und Rāmen repräsentieren weltweit die japanische Küche. Doch auch die Food-Szene vor Ort ist mit ihren schmackhaften Spei...10.06.2019

Und so gilt der Umgang mit japanischem Essen oft als Beleg für die Bereitschaft von Ausländern, in die japanische Kultur einzutauchen – gerade bei vermeintlich „ekligem“ Essen. An den rohen Fisch in Sushi und Sashimi haben sich Ausländer natürlich längst gewöhnt. Welchen kulinarischen Herausforderungen können Sie sich in Japan also noch stellen?

Nattō: Japanische Tradition, fest im Alltag verstinkert… äh, verankert

Nattō, das sind fermentierte Sojabohnen, die oft zum Frühstück auf Reis gegessen werden. Die Bohnen sollen geruchlich an Käse erinnern. Tatsächlich haben sie aufgrund der Gärung einen starken Eigenduft.

Blubb, blubb… Nattō enthalten dank der Fermentation der Sojabohnen viel Vitamin K und sind deshalb der Einlagerung von Kalzium zuträglich. © Natcham N / Flickr CC2.0
Kulinarische Früherziehung: Nattō gehört für viele Japaner von Kindheit an zu einem vollwertigen Frühstück. © Tamaki Sono / Flickr CC2.0

Weil Nattō eine ziemlich klebrige Angelegenheit ist, wird es in essfertigen Portionen in Styroporbehältern verkauft. Tiefgefroren ist es mittlerweile auch in vielen Asiamärkten in Deutschland erhältlich.

Nattō im Styroporbehälter, hier mit Senf und Tare-Sauce – natürlich mit schützender Plastikfolie abgetrennt. © Tamaki Sono / Flickr CC2.0

Video: Ob Sie Nattō nur mal aus Neugier probieren oder den stinkenden Sojabohnen mit Haut und Haaren verfallen sind – so bändigen Sie die lange Nattō-Fäden mit Stäbchen!  

Wie in Japan oft richtig vermutet wird, mögen viele Ausländer kein Nattō – andere wiederum lieben es. An den stinkigen Sojabohnen scheiden sich auf jeden Fall die Geister… durchaus auch unter Japanern.

Shirasu: Massaker der Baby-Fische

Shirasu (シラス) ist ein Sammelbegriff für verschiedene Jungfische, zum Beispiel vom Anchovis, von Sardinen oder vom Aal. Die Fischlein sind meist unter 2 cm lang und werden herdenweise zu hunderten serviert – ein wahres Babyfisch-Massaker.

Shirasu wird roh, gekocht oder als Tempura in Teig ausgebacken serviert. Roh sind die Fischlein meist durchsichtig-glasig, gekocht dann weiß – was nicht nur beim Blick auf die Fotos ein wenig an Maden erinnert…

Leichter Anflug von Gewusel: Gekochte Shirasu auf einer Schale Reis, dazu Nori-Algenblätter und ein rohes Ei. © Makoto OTSUKA / Flickr CC2.0
Hunderte vorwurfsvolle Fisch-Augen: Rohe Shirasu-Babyfische. © Hannah Janz

Shirasu ist eine geschmackliche wie motorische Herausforderung: Die dutzenden glibbrigen kleinen Fische muss man erst mal auf die Stäbchen kriegen, bevor man sich überwinden darf, sie herunterzuschlucken.

Möchten Sie einen Schuss Fisch-Milch zum Kaffee?

Nein, die Japaner haben keine Unterwasser-Farmen angelegt, in denen Fische in Bodenhaltung gemolken werden. Diese halbwegs possierliche Vorstellung werden wir Ihnen jetzt mit der Realität austreiben: Fisch-Milch, Shirako (白子), bezeichnet Fisch-Sperma!

Shirako hat eine luftig-weiche Konsistenz – nicht so schleimig, wie man es sich vielleicht vorstellt. Hier wurde es mit Ponzu-Zitronenessig übergossen. © Koji Horaguchi / Flickr CC2.0

Der Samensack wird männlichen Lachsen, Tai-Meerbrassen oder auch Dorschen frisch nach dem Fang entnommen. Auch der für seine Giftigkeit berühmte Kugelfisch gibt sein Sperma als ganz ungiftige Delikatesse her. Gegessen wird Shirako roh oder gebraten.

Einfach nur Eiweiß: Gebratenes Shirako. © Ryosuke Hosoi / Flickr CC2.0
Über unappetitliches Aussehen bei gebratenem Shirako kann man sich wirklich nicht beschweren – hier vom Lachs als Gunkan-Maki mit dem Pendant Lachsrogen garniert. © Jun OHWADA

Da Fischeier auch im Ausland oft im Sushi landen (und sich auch Kaviar internationaler Beliebtheit erfreut!), verwundert es eigentlich nicht, dass in Japan auch das Sperma der Fische verzehrt wird. Jedoch soll es manchem japanischem Mann schwerfallen, Shirako zu essen – so zumindest einstimmig alle Japanerinnen in der JAPANDIGEST-Redaktion.

Kulinarische Parade der Meeresungeheuer: Seegurke und Seeananas

In Japan gilt: Alles, was aus dem Meer kommt, kann gegessen werden. Wirklich alles, auch das noch so unansehnlichste Tier. Und ja, trotz ihrer Namen sind die Seegurke (Namako ナマコ) und die Seeananas (Hoya ホヤ) Tiere! Wir möchten die zwei aber keinesfalls nur wegen ihres Aussehens diskriminieren – schließlich gibt es auch einiges an ihrem Geschmack zu mäkeln!

Wird die Seegurke nicht als Sashimi oder gekocht gegessen, werden ihre Innereien gesalzen und als Konowata (海鼠腸) serviert. Besonders in den Präfekturen Aichi und Mie gelten die Seegurken-Innereien traditionell als… Delikatesse.

Liegt im Moment noch unmotiviert auf dem Teller – könnte Ihnen aber jederzeit ins Gesicht springen: Die Seegurke! (Zumindest, wenn Sie auch soviele Horrorfilme gesehen haben wie wir…) © Yuya Sekiguchi / Flickr CC2.0

Die Seeananas wiederum wird nicht nur in Japan, sondern auch in Korea gerne gegessen. In Japan kommt sie als Sashimi auf den Tisch. Die rohe, in Streifen geschnittene (und gummiartig schwer zu kauende!) Seeananas wird in eine Mischung aus Sojasauce und Essig getunkt – und dann möglichst schnell runtergeschluckt, um wenig von ihrem ammoniakhaltigem Geschmack abzubekommen.

Offensichtlich, was hier serviert wird: Seeananas. (c) 克年 三沢 / Flickr CC2.0
In Essig eingelegte Hoya soll wunderbar zu Sake passen... Jedenfalls tilgt der Sake den Nachgeschmack. (c) Hajime NAKANO / Flickr CC2.0

Shiokara: Der lange nachhallende Geschmack salziger Fischinnereien

Shiokara bezeichnet fermentierte Innereien verschiedener Meeresbewohner. Die Kanji 塩辛 bedeuten Salz und Würze. Wer Shiokara einmal probiert hat, weiß warum: Der salzige, durchdringend würzige Geschmack der Fischinnereien gräbt sich tief in Gaumen und Zunge und macht keine Anstalten, wieder zu verschwinden.

Die Innereien der Meerestiere werden bis zu einem Monat mit Salz und Reis fermentiert, größere Stücke Fleisch werden darin eingelegt – hier Shiokara vom Tintenfisch. (c) yoppy / Flickr CC2.0

Deshalb haben auch die Japaner eine Strategie entwickelt, um Shiokara „genießen“ zu können: Die fermentierten Gedärme werden ohne Kauen möglichst schnell runtergeschluckt und ihr Geschmack anschließend mit purem Whiskey weggespült. Cheers.

Windet sich eventuell nicht nur auf dem Reis, sondern auch im Magen: Shiokara. (c) kimishowota / Flickr CC2.0

Frischer geht’s nicht: Wenn das Sashimi noch lebt

(c) Odyssey / Flickr CC2.0

In Japan gilt eben als besonders frisch, was gerade erst gefangen wurde. Ikizukuri (生き作り) bedeutet lebend zubereitet – und nicht selten schnappen die Fische bei diesem Gericht noch nach Luft, während sie verspeist werden.


Video: Um die Frische zu erhalten, wird Ikizukuri oft auf einem Eisbett serviert.

Mittelgroße Fische wie die Tai-Meerbrasse werden mit einem Schlag auf den Kopf nach dem Fang betäubt und anschließend lebend filetiert. Angeblich spüren die Fische nichts mehr von den Schnitten. Der Körperaufbau von Kopf über Rücken bis Schwanzflosse bleibt dabei erhalten, die feinen Sashimi-Streifen können aus dem Fisch entnommen und gegessen werden.

Ika, Tintenfisch, gilt besonders in Japans Westen als frischgefangene Delikatesse: Er wird gegessen, bevor sein Fleisch weiß wird. Je transparenter, desto frischer - und desto mehr Muskelbewegung und regenbogenfarbene Bio-Luminiszenz zeigt das Fleisch noch. (c) temaki / Flickr CC2.0

Russisches Roulette: Ein tödlicher Happen vom Kugelfisch

Dass in Japan der giftige Kugelfisch gegessen wird, gehört ebenso zum Bestand der häufigsten Klischees über Japan wie die langjährige Ausbildung der Kugelfisch-Köche. Tatsächlich muss jeder, der an der Produktionskette des Fugu beteiligt ist, Lizenzen zur Handhabung des Tieres vorweisen.

Süß, aber falsch zubereitet tödlich: Der Kugelfisch. (c) Jim / Flickr CC2.0

Bei den meisten Fugu-Arten enthalten Haut und Organe das Gift Tetrodotoxin, dessen Konsum zu Atemlähmung und damit zum Tod führen kann. Das ungiftige Muskelfleisch des Fugu wird als hauchdünnes Sashimi serviert.

Fugu (c) Peter Kaminski / Flickr CC2.0

Bis heute ist nicht geklärt, wie das Gift in den Kugelfischen entsteht. Allerdings ist es mittlerweile möglich, auch ungiftige Kugelfische zu züchten. Da die Ernährung bestimmt, ob die Fische Gift bilden oder nicht, produzieren die Fugu ihr Gift wahrscheinlich aus in ihrer Umwelt enthaltenen Stoffen. Als Speise sind ungiftige Fugu nicht wirklich attraktiv: Schließlich hat das Fleisch wenig Eigengeschmack und wird hauptsächlich wegen des tödlichen Nervenkitzels verzehrt.

Wal-Fleisch und Wal-Bacon in Japan: Politisch umstritten

Japans Walfang-Programm ist international, aber auch in Japan umstritten. Zwar äußern viele Japaner auf Nachfrage, sich nicht sonderlich für Walfleisch zu interessieren. Trotzdem wird es aber in einigen Schulkantinen angeboten und ist im Alltag durchaus präsent.

So sieht man gelegentlich in Restaurants in der Auslage mit den Plastikmodellen auch Wal-Fleisch. Walfleisch ist sehr fetthaltig, und so wird es nicht nur als Sashimi und Steak angeboten, sondern auch als Bacon – Kujira bēkon (鯨ベーコン).

Wal-Bacon als Plastikmodell in der Auslage des Restaurants Kamiya Bar in Asakusa in Tōkyō… © Janz
…und in echt. © akihito nakanishi / Flickr CC2.0

Abgesehen von der meist hohen Schwermetallbelastung macht den Ekel-Aspekt des Walfleischs hauptsächlich die politisch-moralische Verpöntheit des Walfangs aus – zumindest unter den meisten Europäern.

Share Tweet Email

Stichwörter

ADVERTISEMENT

Diese Woche meist gelesen