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Von 1964 bis 2020: Das Vermächtnis der Olympischen Spiele in Tōkyō

Sina Arauner
Sina Arauner

1964 fanden die Olympischen und Paralympischen Spiele in Tōkyō statt – das erste Mal in Asien. 56* Jahre später ist die japanische Hauptstadt 2020 wieder Austragungsort. Auch dieser Sommer soll seinen Beitrag für das Erbe der Olympischen Spiele leisten.

Japanische Soldaten tragen die olympische Flagge 1964
Japanische Marinesoldaten tragen die Olympische Flagge während der Eröffnungszeremonie durch das Stadion. © Topham PicturepointTopham PicturepointPress Association Images

Die Olympischen und Paralympischen Spiele 1964 in Tōkyō waren in vielerlei Hinsicht ein denkwürdiges Ereignis. Erstmals in der Geschichte der Olympischen Spiele wurden diese in einem asiatischen Land abgehalten und auch die Paralympics wurden erst das zweite Mal überhaupt ausgetragen. Es waren die ersten Spiele, die mit Satellitenübertragung live in aller Welt ausgestrahlt wurden und technische Neuerungen wie elektronische Zeitmesssysteme beeindruckten so sehr, dass die Spiele in den internationalen Medien bald als die „Science-Fiction-Spiele“ betitelt wurden. Doch mehr noch als der  technologische Fortschritt, der bei der Olympiade an den Tag gelegt wurde, beeindruckt damals wie heute das Erbe der Olympischen Spiele, das massiven Einfluss auf die Entwicklung Japans hatte.

Sakai Yoshinori entzündet die Olympische Flagge
Sakai Yoshinori entzündet die Olympische Flamme. Der 19-Jährige wurde am Tag des Atombombenabwurfs in Hiroshima geboren und stand als Symbol für Frieden ein. © Topham PicturepointTopham PicturepointPress Association Images

Verwandlung zur modernen Mega-Stadt

Tōkyō erhielt 1959 den Zuschlag für die Olympischen Spiele ‘64; zu einem Zeitpunkt, als das Land noch nicht wirklich bereit für eine Veranstaltung dieser Größenordnung war. Doch die Olympiade diente als regelrechter Katalysator für die Stadtentwicklung und den Ausbau der Infrastruktur. In den folgenden fünf Jahren vollzog Tōkyō eine beeindruckende Metamorphose, nach der die Stadt sich wie ein Phönix aus der Asche der Nachkriegszeit erhob und sich revitalisiert der Welt präsentierte.

Mit einem Gebot von einer halben Milliarde US-Dollar um die Stadt umzukrempeln (die vorherigen Spiele in Rom ’60 hatten ein Budget von 30 Millionen USD), hatte Japan große Pläne für Tōkyō. Das Budget der Spiele soll 282 Millionen USD betragen haben, manche Schätzungen gehen aber von einer Summe über 1 Milliarde USD aus. In der japanischen Bevölkerung trug die Olympiade den Spitznamen „Billionen-Dollar-Spiele“.

Es wurden tausende neue Büro- und Wohnhäuser errichtet, die Kanalisation modernisiert und Toilettenspülungen eingeführt. Etwa ein Drittel der indirekten Kosten wurde für den Tōkaidō Shinkansen, der zwischen Tōkyō und Ōsaka fährt, ausgegeben. Dieser wurde pünktlich zu den Spielen im Oktober 1964 in Betrieb genommen. Ein weiteres Drittel des Budgets wurde in den Ausbau der Infrastruktur gesteckt. Die U-Bahn-Linien Toei Asakusa und Hibiya wurden mit einem Streckennetz von etwa 40 km eröffnet und der Flughafen Haneda durch 100 km Autobahn und die Tokyo Monorail an die Hauptstadt angebunden.

Nationalstadion in 1964
Das Nationalstadion wurde 1958 eröffnet. Ab 2014 wurde es abgerissen und an derselben Stelle ein neues Stadion für Tōkyō 2020 errichtet. © Topham PicturepointTopham PicturepointPress Association Images

Kann Tōkyō 2020 mithalten?

Die Olympiade 2020 wird von Japans Premierminster Abe Shinzō als die „innovativsten Spiele aller Zeiten“ bezeichnet. Doch kann sie mit dem enormen Vermächtnis von 1964 mithalten? Das Budget für die Spiele 2020 liegt mit geschätzten 30 Millionen USD weit unter den Ausgaben der Spiele von 1964 und generell im unteren Bereich bei den Spielen der letzten Jahre. Nur acht der 43 Austragungsstätten werden neu gebaut, zehn temporär errichtet.

Der große Wert von Tōkyō 2020 liegt unter anderem an dem Ausbau der Barrierefreiheit der Stadt im Rahmen der Paralympics. Im August 2017 sagte Gouverneurin Koike Yuriko: „Der Erfolg der Paralympischen Spiele ist der Schlüssel zum Erfolg der Spiele generell. Den Erfolg der Paralympics zu priorisieren ist wichtiger als den der Olympiade.“ So soll sich das veränderte Stadtbild als Katalysator für einen Wandel in der japanischen Gesellschaft verhalten, hin zu mehr Inklusion und Offenheit allen Menschen gegenüber.

Hier ist es, wo Tōkyō 2020 an die Spiele von 1964 anknüpft: Bis damals hatten viele Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen in Japan eine Stigmatisierung erlebt. Doch das große Interesse der Allgemeinheit an der Olympiade schwappte auch auf die Paralympics über und erstmals fühlten sich die teilnehmenden Athleten als ihren Kollegen ohne Behinderung gleichwertig. An den ersten Paralympischen Spielen 1960 in Rom nahm Japan nicht teil – ein Meilenstein, dass das Land nur vier Jahre später Gastgeber war und Tōkyō nun 2020 als bisher einzige Stadt die Paralympics zum zweiten Mal austrägt.

Bogenschütze Matt Stutzman beim Training
Der US-amerikanische Bogenschütze Matt Stutzman bei einer Kampagne zur Vorbereitung auf die Paralympischen Spiele 2020. © TOKYO 2020

Dieser Artikel erschien in der Januar-Ausgabe des JAPANDIGEST 2020 und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.

* In der Printausgabe steht fälschlicherweise “66 Jahre” geschrieben, diesen Fehler haben wir korrigiert und wir bitten vielmals um Entschuldigung.

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