Zeitlose Klassiker: Die Top 5 japanischen Filme der 2000er-Jahre

Vanessa Aura
Vanessa Aura

Die 2000er-Jahre brachten eine neue filmische Ernsthaftigkeit hervor: Persönliche Geschichten, gesellschaftliche Fragen und intensive emotionale Momente prägten das japanische Kino. Fünf ausgewählte Filme zeigen, wie vielfältig, mutig und eindrucksvoll dieses Jahrzehnt war.

© iStock.com / mizoula

Nach den experimentierfreudigen 1990er-Jahren schien sich das japanische Kino in den 2000er-Jahren zunächst zu beruhigen. Es wurde weniger wild, aber nicht minder spannend: Persönliche Geschichten, gesellschaftliche Themen und emotionale Tiefe rückten stärker in den Vordergrund. Gleichzeitig gewann der Anime weltweit enorm an Bedeutung, während einige Regisseure mit radikalen Erzählweisen neue Grenzen ausloteten. Die folgenden fünf Filme stehen exemplarisch für ein Jahrzehnt voller ruhiger Beobachtungen und intensiver Grenzerfahrungen.

Spirited Away – Chihiros Reise ins Zauberland(千と千尋の神隠し, 2001) – Regie: Miyazaki Hayao

Animationsfilm / Fantasy

Die zehnjährige Chihiro gerät mit ihren Eltern in eine geheimnisvolle Geisterwelt. Um ihre Eltern zu retten und in die reale Welt zurückzukehren, nimmt sie eine Arbeit in einem Badehaus an. Spirited Away ist weit mehr als ein märchenhaftes Abenteuer: Der Film ist eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Konsumgesellschaft, Umweltzerstörung und Fragen der Identität. Als erster Anime gewann Miyazakis Meisterwerk den Oscar und eroberte ein weltweites Publikum. Mit seiner magischen Bildsprache wurde es zu einem Meilenstein des internationalen Animationsfilms.

Offizieller deutscher Trailer von Spirited Away.


 

Nobody Knows (誰も知らない, 2004) – Regie: Koreeda Hirokazu

Familiendrama / Sozialrealismus

Vier Geschwister werden von ihrer Mutter allein gelassen und müssen ohne Unterstützung in einer kleinen Wohnung in Tōkyō überleben. Koreeda erzählt mit großer Zurückhaltung und emotionaler Kraft die Geschichte dieser Kinder, die trotz harter Umstände versuchen, ein normales Leben zu führen. Die Kamera bleibt dicht an den Kindern, zeigt ihren Alltag, kleine Freuden und den schleichenden Zerfall ihrer Welt. Kein Anklagefilm, sondern ein leises Porträt gesellschaftlicher Kälte. Yagira Yūya erhielt in Cannes als jüngster Preisträger aller Zeiten den Darstellerpreis.

Pulse(回路, 2001) – Regie: Kurosawa Kiyoshi

Thriller / Existenzhorror

Menschen, die mysteriöse Webseiten besuchen, verschwinden spurlos oder sterben – die digitale Welt wird zur tödlichen Falle. Der junge Fotograf Michi versucht, das Geheimnis hinter diesen Vorfällen zu ergründen. Pulse zeigt die Angst vor Isolation und Entfremdung in einer vernetzten Gesellschaft. Kurosawa erschafft eine dystopische Atmosphäre, in der der wahre Schrecken in der Einsamkeit liegt. Heute gilt der Film als visionärer Kommentar zur digitalen Vereinsamung und als stiller Klassiker des japanischen Horrorkinos.

Nana(ナナ, 2005) – Regie: Ōtani Kentarō

Jugenddrama / Popkultur

Zwei junge Frauen namens Nana – eine Punkmusikerin, die andere eine hoffnungsvolle Romantikerin – treffen zufällig aufeinander und werden Mitbewohnerinnen in Tōkyō. Der Film basiert auf dem beliebten Manga von Yazawa Ai und erzählt ihre Geschichten von Freundschaft, Liebe, Träumen und gesellschaftlichen Erwartungen. Zum 20-jährigen Jubiläum wird Nana aktuell wieder in Kinos in Shibuya gezeigt, während bei Uniqlo spezielle T-Shirts mit Motiven aus dem Film die anhaltende Beliebtheit und den Einfluss verdeutlichen.

Love Exposure(愛のむきだし, 2008) – Regie: Sono Sion

Autorenkino / Exzessdrama

Der Teenager Yu wächst in einer strengen katholischen Familie auf und entwickelt eine ungewöhnliche Obsession für Unterwäsche-Fotografie, die ihn auf einen abenteuerlichen und zugleich verstörenden Weg führt, um Liebe und Sünde zu verstehen. Love Exposure ist ein vierstündiger Mix aus Drama, Komödie, Action und Satire. Sono Sion liefert eine radikale Auseinandersetzung mit Themen wie Religion, Begehren und Identität und verbindet exzessive Inszenierung mit tiefgründiger Emotionalität.

Weitere sehenswerte Filme der 2000er-Jahre

Neben den fünf Hauptfilmen lohnt sich auch ein Blick auf viele weitere Werke, die das japanische Kino der 2000er prägten und ein breites Publikum begeisterten:

Im Bereich der Familien- und Alltagsgeschichten stechen The Taste of Tea (茶の味, 2004), eine skurrile und warmherzige Familiengeschichte mit surrealen Elementen, sowie Still Walking (歩いても 歩いても, 2008) hervor, das mit leisen, sensiblen Beobachtungen den Umgang einer Familie mit Verlust und Erinnerung zeigt.

Dystopische und gesellschaftskritische Themen behandelt Battle Royale (バトル・ロワイアル, 2000), Fukasakus kontroverse Auseinandersetzung mit Gewalt und Gruppendruck unter Jugendlichen. Auch Bright Future (アカルイミライ, 2003) setzt sich mit gesellschaftlicher Entfremdung und Hoffnung in einer unsicheren Zukunft auseinander.

Ein Schwerpunkt lag im Mainstream-Jugendkino und romantischen Dramen: Koizora (恋空, 2007), Hana yori Dango (花より男子, 2005), Train Man (電車男, 2005), Nodame Cantabile (のだめカンタービレ, 2006) und Crying Out Love in the Center of the World (世界の中心で、愛をさけぶ, 2004) spiegeln das vielfältige Spektrum von Liebes- und Coming-of-Age-Geschichten wider – von tragischer Teenager-Romanze bis zu humorvollen Alltagsbeobachtungen.

Nicht zuletzt prägten Horrorfilme wie Ju-on: The Grudge (呪怨, 2002) und die Fortsetzungen des einflussreichen Ringu (リング) maßgeblich den internationalen Ruf des japanischen Horrorkinos.

Darstellung von Japan in westlichen Filmen der 2000er-Jahre

An dieser Stelle sei kurz auf zwei besonders einflussreiche Filme aus dem Westen verwiesen, die in den 2000er-Jahren große Verkaufserfolge erzielten und das Bild von Japan im Westen nachhaltig prägten: The Last Samurai (2003) und Memoirs of a Geisha (2005). Diese Produktionen sind vielen Japan-Fans ein Begriff, da sie oft als Einstieg in das Interesse an japanischer Kultur dienten.

Die Filme zeigen Japan jedoch aus einer westlichen Perspektive und bedienen sich dabei einer starken Romantisierung und Ästhetisierung. Trotz ihrer Popularität und aufwendigen Inszenierung steht ihre Darstellung häufig im Kontrast zur Vielfalt und Authentizität des japanischen Kinos. Diese Gegenüberstellung verdeutlicht, wie unterschiedlich Japan kulturell wahrgenommen und interpretiert wird – sowohl im eigenen Land als auch weltweit.

Das Kino der 2000er: Zwischen Intimität, Tabus und dem Erforschen von Rändern

Diese Filme spiegeln zentrale Themen des Jahrzehnts wider: Nähe und Distanz in einer vernetzten Welt, der Bruch mit Traditionen und die Suche nach Identität. Das japanische Kino der 2000er ist leise und mutig, zurückhaltend und manchmal extrem – ein Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen und kultureller Fragen. Anime, Drama, Horror und Jugendfilm standen nicht isoliert, sondern reflektierten gemeinsame Fragen: Wie finden wir Verbindung im digitalen Zeitalter? Was bleibt von uns, wenn Nähe zerbricht? Und wie weit kann Kunst gehen, um dies auszudrücken?

 

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