Washi: Beliebtes Japanpapier mit langer Tradition

Julia Obinger
Julia Obinger

Papier ist ein wichtiger Bestandteil der japanischen Kultur – es begegnet uns bei jahrhundertealten Kunstschätzen ebenso wie im täglichen Leben. Wir nehmen Sie mit auf eine kleine Kulturgeschichte dieses ganz besonderen Japanpapiers!

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Farbenfrohes Chiyogami, das traditionelle Motive der Kimonostoffe aufnimmt.

Das Papierhandwerk und das Schöpfen von Washi, das tatsächlich wörtlich Japan-Papier (washi, 和紙) bedeutet, hat eine sehr lange Tradition in Japan. Ursprünglich kam Papier aus China und via Korea, wo es von buddhistischen Mönchen seit dem 7. Jahrhundert n. Chr. zur Niederschrift ihrer Sutren verwendet wurde.

Funktion und Ästhetik

In Japan wurde die Herstellung des Papiers immer weiter verfeinert und war unter Kleinbauern weit verbreitet als Nebenverdienst während der kalten Wintermonate. Seit jeher werden für Washi die Fasern der in Japan heimischen Sträucher Gampi (Daphne Sikokiana), Kōzo (Papiermaulbeerbaum) und Mitsumata (Edgeworthia Chrysantha) verwendet, die in mühevoller Handarbeit und in vielen Einzelschritten zum fertigen Papier verarbeitet werden. Innerhalb nur weniger Jahrhunderte entwickelte sich Washi zu einem der weltweit hochwertigsten Papiere – und dies lange bevor in Europa das Papiermachen überhaupt entdeckt wurde.

Heute wird es längst günstig maschinell hergestellt, doch die Qualität und Vielfalt von echtem, handgeschöpftem Washi ist unerreicht. Dies liegt an der besonderen Struktur des Papiers, seiner Stärke und Absorptionsfähigkeit, die durch den aufwendigen manuellen Herstellungsprozess erzielt wird. Je nach Ursprungsort und Grundstoff weist Washi unterschiedliche Qualitäten auf, und es wird in den verschiedensten Texturen angeboten. Einige Sorten eignen sich aufgrund ihrer Langlebigkeit besonders gut für Alltagsgegenstände, wie beispielsweise die leichten Papierschiebetüren (fusuma und shōji), Laternen, farbenfrohe Schirme und Fächer – und sogar Kleidung. Dazu gehören beispielsweise auch zeremonielle Gewänder im Shintoismus wo in den Schreinen im Zick-Zack gefaltete Papierstreifen (shide) aufgehängt werden – sie dienen als Symbol der Reinheit.

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Shide, wie sie an einem Seil am Eingang eines Shintō-Schreines angebracht werden.

Auch aus der traditionellen Kunst ist das Japanpapier nicht wegzudenken, denn es ist essentieller Werkstoff unter anderem für Tuschmalerei (sumi-e) und Kalligraphie (shodō), für Origami und Chigiri-e, einer speziellen Form der Kollage. Unter europäischen Künstlern war die Qualität des Washi ebenso bekannt und geschätzt – Rembrandt beispielsweise bevorzugte Papier aus der Region Echizen 越前 in der Präfektur Fukui für seine Kupferstiche und Zeichnungen. Jedoch nicht nur in der bildenden Kunst, sondern auch als Schreibmaterial ist das Papier für Japan besonders bedeutungsvoll, denn erst durch die Verbreitung des Washi konnte sich die japanische Poesie und Literatur unabhängiger von chinesischen Einflüssen entwickeln.

Je nach Verwendungszweck wird Washi einfarbig produziert oder mit wunderschönen traditionellen Mustern versehen. Sicherlich haben Sie schon einmal das so genannte Chiyogami (wörtl: Papier der tausend Generationen) gesehen, also mit farbenfrohen japanischen Motiven bedrucktes Papier. Diese orientieren sich an den prachtvollen Mustern der Kimonostoffe und zeigen beispielsweise saisonale Blumen wie Kirschblüte, Chrysantheme oder das geometrische Asanoha (Hanfblatt). Häufig dienen auch Tiermotive wie Kranich oder Koi-Karpfen als Inspiration. Mit diesem dekorativem Chiyogami, das erstmals in der Edo-Zeit (1603-1868) aufkam, wurden traditionell Puppen, aber auch Teedosen verziert. Auch heute noch erfreuen sich diese kunstvollen Papiere hoher Beliebtheit und werden häufig beim Origami eingesetzt.

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An einen Holzschnitt von Kabukidō Enkyō angelehntes 3D-Werk des „Papier-Ingenieurs“ Kota Hiratsuka. © Kota Hiratsuka

Inspiration und Innovation

In der japanischen Gegenwartskunst dient das Papier an sich mit seinen besonderen Eigenschaften als Inspirationsquelle. Das Werk des weltbekannten Avant-Garde Designers Issey Miyake beispielsweise ist maßgeblich von Washi geprägt. Seit den frühen 1980er Jahren experimentiert er mit Materialmischungen aus Polyester und Papier und arbeitet derzeit mit den letzten verbliebenen traditionellen Papierherstellern in Shiraishi in der Präfektur Miyagi zusammen. Zuletzt im Jahr 2011 stellte er eine deutlich von Origami und Papier inspirierte Herbst-Kollektion vor.

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Modelle der Prêt-à-porter Herbst/Winter-Kollektion 2011/12 von Issey Miyake. © Michael Boitin

Beeindruckend sind auch die abstrakten Reliefs und Skulpturen der jungen Künstlerin Yūko Nishimura. Mit nur einem Blatt Papier, das sie immer und immer wieder faltet, erreicht sie visuelle Effekte, die mit Licht und Schatten spielen und sich je nach Perspektive des Betrachters verändern. Ähnlich arbeitet der selbsternannte „Papie- Ingenieur“ Kota Hiratsuka. Nach mehreren gescheiterten Origami-Faltversuchen erfand der Autodidakt seine Paper Mosaics, komplexe und farbenfrohe 3D-Kollagen, die auch auf Schere und Klebstoff zurückgreifen. Einige seiner Designs bietet er sogar als Pakete zum Selbermachen an – Falten nach Zahlen für Jedermann!

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Yūko Nishimura faltete dieses Relief aus nur einem einzigen Blatt. © Yuko Nishimura

Ein neuer Trend: Washi als Klebeband

Während Washi bis vor kurzem nur den Japanerkennern ein Begriff war, fällt Designverliebten und DIY-Freunden heute dazu wohl zuallererst das „Washi Tape“ ein. Washi Tape wurde erstmals um 2008, auf Anfrage von drei Designerinnen, von der Firma Kamoi Kakoshi in Kurashiki, Präfektur Okayama, als buntes Klebeband hergestellt. Anders als herkömmliches Klebeband besteht seine Oberfläche jedoch aus Papier, ist daher leicht zu reißen und dennoch widerstandsfähig. Was als einfache Kollektion mit 20 einfarbigen Tapes begann, hat sich innerhalb kürzester Zeit zu einem weltweiten Trend entwickelt. Washi Tape wird heute in unzähligen Variationen angeboten und eignet sich aufgrund seiner leichten Verarbeitbarkeit für vielfältige und überraschende Dekorationsprojekte. Weltweit verzieren Menschen damit alles – von Computern bis zu ganzen Wänden. Der Hersteller Kamoi Kakoshi kollaboriert inzwischen sogar mit internationalen Designern und brachte eine Charity-Version des Klebebandes für die vom Erdbeben 2011 betroffene Region Tōhoku heraus. Washi Tape bringt ein kleines Stück kreatives Japandesign in den Alltag. Lassen Sie sich von der Vielfalt inspirieren – die fröhlichen Washi Tapes finden Sie in jedem gut sortierten Schreibwarenladen.

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Vielfältige Verwendungsmöglichkeiten des bunten Washi-Tape-Trends.

Traditionelles Washi selbst erleben

Obwohl technischer Fortschritt und sich ändernde Moden zu einem rapiden Niedergang der traditionellen Washi-Herstellung in Japan führte, gelten heute noch die drei Regionen Mino in der Präfektur Gifu, Ogawa in Saitama und Misumi in Shimane als Zentren der traditionellen Papierherstellung. Das dortige Handwerk wurde im Jahr 2014 sogar in das UNESCO-Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.

Bis dorthin müssen Sie allerdings nicht reisen, um die Herstellung von Washi hautnah zu erleben. Wer sich in Tōkyō aufhält, dem sei ein Besuch bei dem seit 1653 bestehenden Papiergeschäft Ozu Washi in Nihonbashi angeraten. Dort können Sie nicht nur aus einer Vielzahl einzigartiger Papiere wählen, sondern auch in einer schön gestalteten Ausstellung die Geschichte des Washi nachverfolgen. Wer selbst Hand anlegen möchte kann sogar sein eigenes Papier in einem der angebotenen Workshops schöpfen.

Ozu Washi: Ozu Honkan Bldg., 3-6-2 Nihombashihonchō, Chūo-ku, Tōkyō 103-0023, geöffnet 10-20 Uhr, Sonntag Ruhetag

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