Kleine Kimonoträger im Schrein: Das Shichi-go-san-Fest in Japan

Carolin Becke
Carolin Becke

Jedes Jahr Mitte November strömen Familien in Japan zu den Schreinen, um ihre festlich gekleideten Kinder segnen zu lassen. Beim Shichi-go-san – wörtlich „Sieben-Fünf-Drei“ – feiern Mädchen und Jungen den Übergang in einen neuen Lebensabschnitt. In farbenprächtigen Kimonos, mit Süßigkeiten in der Hand und einem stolzen Lächeln im Gesicht.

© coward_lion / iStock

Shichi-go-san ist ein Übergangsritus, der das Heranwachsen von Kindern feiert. Mädchen im Alter von drei und sieben Jahren sowie Jungen im Alter von fünf Jahren werden an diesem Tag geehrt. Der 15. November gilt als offizieller Termin des Feiertags, doch in der Praxis besuchen viele Familien den Schrein an den Wochenenden rund um dieses Datum.

753Feiern im Familienkreis: 7-5-3, Mädchentag und KindertagNeben dem westlichen Mutter- und Vatertag gibt es in Japan weitere Matsuri mit Familienbezug. Warum aber gibt es einen Tag für Mädchen (Hina...28.07.2016

Ursprung und Bedeutung

Die Wurzeln des Festes reichen bis in die Heian-Zeit (794–1185) zurück. Ursprünglich handelte es sich um Bräuche am kaiserlichen Hof, bei denen der Eintritt in bestimmte Altersstufen gefeiert wurde. In der Edo-Zeit (1603–1868) verbreitete sich die Tradition unter den Samurai und schließlich in der breiten Bevölkerung. Bis heute symbolisiert Shichi-go-san den Wunsch der Eltern, dass ihre Kinder gesund heranwachsen und ein langes, glückliches Leben führen werden.

Rituale und Symbolik der Zahlen

Die Zahlen Sieben, Fünf und Drei gelten im japanischen Kulturkreis als Glückszahlen und stehen für Wachstum und Harmonie. Im Alter von drei Jahren feiern sowohl Jungen als auch Mädchen das Ende der frühen Kindheit; dies war einst das Alter, in dem Kinder beginnen durften, ihr Haar wachsen zu lassen. Jungen im Alter von fünf Jahren tragen zum ersten Mal einen hakama, eine weite Hosenform über dem kimono, die als Symbol für den Eintritt ins Kinderalter gilt. Für siebenjährige Mädchen markiert das Fest schließlich den Moment, in dem sie den breiten obi tragen dürfen; ein weiterer Schritt in Richtung Erwachsenenwelt.

Am Tag von Shichi-go-san besuchen Familien jenen Schrein, an dem die Schutzgottheiten ihrer Region verehrt werden. Dort bitten sie in einer kurzen shintōistischen Zeremonie um Gesundheit, Glück und Sicherheit für ihre Kinder. Viele Eltern nehmen sich dafür eigens einen Tag frei – ein weiterer Beweis, welche Bedeutung dieser Brauch auch heute noch hat.

Kimono, Hakama und Chitose-ame

Ein unverzichtbarer Bestandteil des Festes ist die festliche Kleidung. Mädchen tragen farbenfrohe, langärmelige kimono, oft mit floralen Mustern. Diese werden häufig mit einem bestickten hifu, einer ärmellosen, wattierten Weste, kombiniert. Jungen erscheinen in dunklen kimono mit Familienwappen und einem hakama, welcher ihre erste „Erwachsenenkleidung“ symbolisiert.

Nicht fehlen dürfen die roten und weißen Zuckerstangen namens chitose-ame („Tausend-Jahre-Süßigkeit“). Sie werden in bunten Tüten verkauft, oft mit Kranichen und Schildkröten verziert. Diese Motive stehen für Langlebigkeit und symbolisieren den Wunsch nach einem langen und erfüllten Leben. Viele Kinder lassen sich mit ihrer chitose-ame fotografieren, bevor sie die süße Belohnung auf dem Heimweg genießen.

Shichi-go-san im modernen Japan

Auch wenn sich die Zeiten geändert haben, bleibt der Kern des Festes gleich: die Freude über das Heranwachsen der Kinder. In den Tagen vor dem 15. November sieht man in ganz Japan Familien auf dem Weg zu Fotostudios. Professionelle Fotoshootings gehören heute für viele zum festen Bestandteil des Rituals. Kimono werden häufig ausgeliehen, und Friseursalons bieten spezielle Pakete für Shichi-go-san an. Das alles ist nicht selten mit einer gewissen Hektik verbunden: Termine müssen koordiniert, Kleidung angepasst und Kinder bei Laune gehalten werden. Und doch bietet das Fest zugleich eine Gelegenheit zum Innehalten. Wenn kleine Kimonoträger Hand in Hand mit ihren Eltern und Großeltern über das Schrein-Gelände laufen, spiegelt sich darin ein Moment der Ruhe und Verbundenheit, und somit eine Erinnerung daran, wie wertvoll gemeinsames Wachsen und Feiern ist.

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