Zaibatsu und keiretsu: Die “Japan-AG” und ihre Großkonzerne

Christiane Süßel
Christiane Süßel

Enge Unternehmensgeflechte stehen charakteristisch für die „Japan-AG“. Vorreiter der heutigen Großkonzerne sind "zaibatsu" wie Mitsui, Mitsubishi und Sumitomo. Aus ihnen gingen nach dem Krieg erfolgreiche Firmenkonglomerate, "keiretsu", hervor.

Sumitomo
Riko ist eine Tochterfirma des Konglomerats Sumitomo. ©Mj-bird

Ab 1630 handelte die heute noch existierende Sumitomo-Gruppe zunächst mit Medikamenten und Büchern und machte sich später als Kupferhütte und Schmiede einen Namen. Auch Raffinerien sowie Banken und Warenhäuser florierten unter dem Dach des Konzerns. Heute zählt Sumitomo mit zahllosen Tochterunternehmen zu den größten Unternehmensgruppen weltweit.

Ähnlich entwickelte ich das 1870 gegründete Firmenimperium Mitsubishi, das als Schifffahrtsunternehmen begann und dessen Portfolio sich mittlerweile vom Fahrzeugbau über Chemieunternehmen bis hin zur Schwerindustrie erstreckt. Die Wurzeln der Mitsui-Gruppe, die für ihr Engagement im Bergbau bekannt wurde, reichen wiederum ins Jahr 1637 zurück. Später spalteten sich große Namen wie der Kaufhauskonzern Mitsukoshi, aber auch Toshiba, Toyota und Suntory von der Mutter ab.

Aufs Engste mit der Kriegsmaschinerie verflochten

Allen zaibatsu (財閥, wörtlich: vermögender Klan) war gemein, dass eine Familie die alleinige Entscheidungsmacht besaß und ihr alle Erlöse zuflossen. Mit ihrer kapitalistischen Ausrichtung dominierten sie über Jahrhunderte den japanischen Markt. Im Zweiten Weltkrieg waren diese Konzerne aufs Engste mit der Kriegsmaschinerie verflochten. So baute Mitsubishi Kampfflugzeuge und Waffen, Mitsui beschäftigte amerikanische Kriegsgefangene.

Grund genug für die amerikanische Besatzungsmacht, 1945 eine Liste mit zunächst 325 aufzulösenden Firmen zu erstellen. Im Zuge des 1947 erlassenen Anti-Monopolgesetzes (dokusen kinshihō, 独占禁止法) wurden letztlich jedoch nur elf zaibatsu komplett zerschlagen. Das neue Gesetz verbot zunächst Überkreuzbeteiligungen. Erst mit Ausbruch des Korea-Krieges 1950 und dem 1952 geschlossenen Friedensvertrag von San Francisco wurde das Gesetz gelockert, und Überkreuzbeteiligungen wurden wieder möglich.

In den Folgejahren bildeten sich sogenannte keiretsu (系列, wörtlich: Reihe, Linie). Das Herzstück dieser neuformierten Gruppen waren Banken oder Generalhandelshäuser, um die sich Schwerindustrie- und Chemieunternehmen gruppierten. Mit Mitsui, Mitsubishi und Sumitomo mischten auch drei ehemalige zaibatsu mit.

Überkreuzbeteiligungen bewahren Konzerne vor Übernahmeschlachten

Besaßen zuvor allein die Unternehmerfamilien Firmenanteile und somit auch die Entscheidungsmacht, so wurden in den Nachkriegsunternehmen diese individuellen Großaktionäre von juristischen Personen abgelöst. Anstelle der Beteiligung einzelner Clans lagen fortan die Anteile in den Händen anderer Unternehmen. Es bildeten sich enge Überkreuzbeteiligungen. Dieses System der „sicheren Aktionäre“ mit seinen komplexen Verflechtungen ermöglicht langfristige Firmenstrategien und bewahrt japanische Konzerne vor Übernahmeschlachten. Die wechselseitige Verflechtung der Unternehmensbeteiligung macht es möglich, dass Konzerne de facto auch über Minderheitsbeteiligungen bestimmt werden können.

Zwei Arten von keiretsu

Keiretsu lassen sich in zwei Typen unterscheiden: Horizontal diversifizierte Unternehmensgruppen mit einem wechselseitigen Aktienbesitz werden als kigyō keiretsu (企業系列) bezeichnet. Dazu zählen u.a. Mitsui, Mitsubishi und Sumitomo. Vertikal aufgestellte Unternehmensnetzwerke unterteilen sich in Produktionsgruppen (seisan keiretsu, 生産系列) und vertikal ausgerichtete Vertriebsnetzwerke (ryūtsū keiretsu, 流通系列). Beispiele für vertikale keiretsu sind Autohersteller wie etwa Toyota, Nissan oder Honda, die über eine vertikal affiliierte Kette von Zulieferern und Vertriebsgesellschaften verfügen.

USA kritisiert System

Es war das für ausländische Investoren unzugängliche Firmengeflecht, das die USA zu Beginn der 1990er Jahre kritisierte. In der Tat binden die Überkreuzbeteiligungen und das so entstandene System der sicheren Aktionäre die Konzerne zu einer Einheit zusammen. Auf sogenannten shachōkai (社長会, Versammlungen der Firmenchefs) werden die Firmenstrategien untereinander abgestimmt und Aufträge meist innerhalb der Gruppe vergeben. Der Vorwurf gegen die „Japan-AG“, sich anhand von Insidergeschäften gegen die ausländische Konkurrenz abzuschotten, wird immer wieder geäußert.

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