Internet der Dinge und Technologie im japanischen Alltag

Matthias Reich
Matthias Reich

Japaner gelten als technikversessen und offen für alles Neue. Da fallen Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz und dergleichen auf besonders fruchtbaren Boden - sollte man meinen. Was ist technisch der neueste Schrei, und wohin scheint die technische Reise zu gehen?

pasmo
Immer wissen, wo die Kinder stecken - kein Problem mit der elektronischen Fahrkarte Pasmo.

Die Globalisierung lässt Unterschiede in der Technik dahinschmelzen: Ein Referat über die Unterschiede von Fernsehern in Japan und Europa würde sehr kurz ausfallen. Aber in einigen Dingen nimmt Japan in Sachen Technik noch immer – oder schon wieder – eine Vorreiterrolle ein.

In vielen Fällen hat das handfeste Gründe. In Sachen Klimaanlagen wird Japan immer die Nase vorn haben – natürlich, denn ein Leben ohne Klimaanlage ist, zumindest in den japanischen Ballungszentren, schwer vorstellbar. Nicht nur wegen der wochenlang anhaltenden tropischen Hitze im Sommer, sondern auch aus Ermangelung von Heizungen, für die die Klimaanlagen im Winter einspringen.

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Heißer Sommer und kalter Winter sind in Japan ohne Klimaanlage schwer zu ertragen. (c) Shinji / flickr CC BY 2.0

Die neuesten Vertreter der Klimaanlagen für den Eigenbedarf sind dabei recht pfiffig: Sie erkennen, wo im Raum sich Menschen befinden, und schicken die kühle oder eben warme Luft entsprechend nur in jene Richtungen, ohne aber den Schwitzenden oder Bibbernden direkt mit trockenen Luftströmen zu attackieren.

Und man versucht natürlich seit vielen Jahren, bei permanent kletternden Strompreisen ebenfalls zwangsläufig, den Stromverbrauch zu drosseln, denn Klimaanlagen sind enorme Energiefresser!  Das ist unter anderem auch den oftmals schlecht isolierten Wohnhäusern geschuldet: Kaum ist die Klimaanlage aus, hat man flugs die Außentemperatur im trauten Heim.

Künstliche Intelligenz im Alltag

Sehr interessant ist in Japan die Forschung und Verbreitung künstlicher Intelligenz. Das gilt im automobilen Bereich, aber auch – und da wird es wirklich interessant – in der Altenpflege. Alles begann mit Aibo, dem drolligen Roboterhund, gefolgt von Asimo, dem tanzenden Roboter von Honda, bis hin zu Pepper (Softbank) und so weiter. Vor allem Pepper trifft man immer häufiger an – als Empfangsroboter und Kinderfang.

Doch die elektronischen Gefährten mausern sich mehr und mehr vom PR-Gag zum ernsthaften “Instrument” zum Beispiel in der Altenpflege, wo Roboter die älteren Menschen unterhalten und gleichzeitig medizinisch überwachen könnten.

Der Gedanke daran löst bei vielen Europäern sicherlich Unbehagen aus, doch weniger in Japan: Auch viele alte Leute sind durchaus offen für Neues und haben Spaß am Umgang mit den drolligen Robotern. Dass diese menschliche Nähe nicht ersetzen können, ist dabei natürlich auch in Japan klar.

Auch beim IoT (internet of things, Internet der Dinge) gibt es praktikable Erfindungen besonders im Hinblick auf ältere Menschen – so zum Beispiel einen intelligenten Wasserkocher, der via Internet Alarm schlägt, wenn der Besitzer ihn entgegen seiner täglichen Gewohnheit nicht einschaltet.

Die Technologie macht auch vor japanischen Trinkhallen und selbst Sushiläden nicht halt. Vielerorts wird mit dem Tablet bestellt, und das hat durchaus seine Vorteile, sieht man doch jederzeit, wie hoch der Deckel gerade ist. Für die lieben Kleinen sind Sushiläden wie zum Beispiel die der Uobei-Kette nicht nur kulinarisch ein Highlight. Kaum am Tablet bestellt, kommen die Leckerbissen auf einem Mini-Shinkansen direkt bis zum Platz gerollt und auf Knopfdruck verschwindet die Modellbahn umgehend wieder.

Manche Restaurants nutzen die Technik noch weiter: Besonders beliebte Restaurants beginnen damit, Ticketreservierungssysteme einzuführen. Man gibt am Eingang seinen Namen und die Telefonnummer am Touchscreen ein und erfährt danach, wie lange es ungefähr dauern wird. Kurz bevor man an der Reihe ist, erhält man dann einen automatischen Anruf. Das ist praktisch, wenn man zwei oder drei Stunden warten muss.

Packend ist die Entwicklung auch bei den allgegenwärtigen Getränkeautomaten. Die neueste Generation sieht aus wie eine Konsole im Raumschiff Enterprise und berechnet anhand einer montierten Kamera und den damit eingefangenen äußeren Kundendaten, welches Getränk dem durstigen Betrachter angeboten wird. Ist das angebotene Getränk immer ein Energy-Drink, sollte man sich also langsam Sorgen darüber machen, ob man in letzter Zeit genug Schlaf hatte.

[Video] Die Programmierung eines Getränkeautomaten.

Sicherheit in Technik

Eine weitere Sparte sorgt ebenfalls für einen Technikboom: Das Geschäft mit der Angst. Nahezu krankhafte Paranoia wird seit etlichen Jahren leider auch in Japan von den Medien gehegt und gepflegt – egal, was die Verbrechensstatistiken sagen. So bieten zum Beispiel seit kurzem einige Bahnlinien einen Service an, bei dem den Eltern jedes Mal, wenn die Kleinen eine Ticketschranke im Bahnhof passieren, eine Email gesendet wird. Technisch ist diese Überwachung schon seit langem möglich, da Chipkarten wie Pasmo und Suica für Kinder personengebunden sind.

In Sachen Innovation muss man jedoch von oben genannten Nischen abgesehen feststellen, dass die USA eindeutig eine Vorreiterrolle spielen – auch China und Korea sind Japan bereits in vielen Bereichen (vor allem bei der Nutzung von modernen technischen Hilfsmitteln in der Schulbildung) voraus. Das umfasst aber auch Bereiche wie Webdesign und erstreckt sich über SaaS (Software as a Service), IoT, mobilen Anwendungen und dergleichen. In größeren Firmen, aber auch bei so manchen Behörden, liegt da auch einiges im Argen – mit hoffnungslos veralteten und oftmals unsicheren Systemen, die schon zu mehreren riesigen Datenlecks geführt haben.

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