Bauer, Philosoph und Revolutionär: Fukuoka Masanobu

Kerstin Coopmann
Kerstin Coopmann

Fukuoka Masanobu gilt als Pionier der natürlichen Landwirtschaft. Mit Mitte 20 gab er sein Stadtleben auf und widmete sich fortan der Landwirtschaft. Seine „Nichts-Tun“-Anbaumethode war revolutionär und seine Bücher faszinieren immer mehr Menschen auf der ganzen Welt.

masanobu fukuoka
Fukuoka im Kreise seiner Familie im Zitrushain.

Am Rande der Präfektur Ehime, im Nordwesten der Insel Shikoku, liegt die Naturfarm Fukuoka (fukuo­ka shizen nōen) mit ihren saftig grünen Reisfeldern und Zitrushainen. Hier begann Fukuoka Masanobu (1913-2008) vor über 70 Jahren mit der Entwick­lung seiner Methode der natürlichen Landwirtschaft und lieferte den Beweis, dass für eine reiche Ernte weder Bodenbearbeitung, noch Chemie und Unkrautbeseitigung notwendig sind. Um den Menschen zu zeigen, dass der einzig richtige Weg die Rückkehr zur Natur sei, lehrte er seine Methode Interessierten in Japan und weltweit. Er sprach im Fernsehen, auf Versammlungen und schrieb mehrere Bücher – stets in der Hoffnung, die Menschheit von seiner Vision zu überzeugen. 1988 wurde ihm für sein Schaf­fen sogar der Ramon Magsaysay Award verliehen, der als asiati­scher Friedensnobelpreis gilt. Fukuoka führte ein einfaches und ruhiges Leben. Im Alter von 95 Jahren starb er auf seiner Farm.

Fukuokas vier Prinzipien der natürlichen Landwirtschaft

  • Kein Pflügen
  • Kein Düngen
  • Kein Unkrautjäten
  • Keine Pestizide

Wie alles begann

Nach Abschluss seines Studiums arbeitete Fukuoka zunächst als Mikrobiologe in Yokohama, weit entfernt von seiner Heimat auf Shikoku. Im Alter von 25 Jahren erkrankte er plötzlich an einer Lungenentzündung und kam, im Angesicht des Todes, zu der Erkenntnis, dass die Natur über allem stehe und sämtliches Handeln des Menschen sinnlos sei. Er kündigte seinen Job und kehrte zurück in seine Heimat, wo er sich – mit Ausnahme der Kriegszeit, während der er für den Staat in der Lebensmittelforschung arbeitete – der Entwicklung einer Anbaumethode widmete, die ganz im Sinne der Natur sein sollte. 30 Jahre dauerte es, bis er damit Erfolg hatte und seine vollkommen natürlich erzeugten Ernten mit denen der produktivsten Farmen Japans mithalten konnten.

Von einem Strohhalm zur Revolution

Fukuokas Glaube, ein einziger Strohhalm könne eine Revolution auslösen, bildete die Basis seiner Direkteinsaat- und Nichtbearbeitungsmethode. So säte er im Herbst Wintergetreide, noch bevor der Reis auf diesem Feld geerntet war. Nach der Ernte verteilte er das Reisstroh über Roggen und Gerste. Dasselbe galt im Frühling für den Reis: Diesmal verteilte er das Stroh des geernteten Wintergetreides auf dem Feld. Auf diese Weise gedieh sein Korn und die übermäßige Ausbreitung von Unkraut sowie bestimmte Pflanzenkrankheiten wurden vermieden. Zusammen mit dem Säen von weißem Klee auf demselben Feld sorgte Fukuoka nicht nur dafür, dass Bodenbearbeitung und Chemie überflüssig wurden – er erreichte auch einen unglaublich fruchtbaren Boden voller natürlicher Mikroorganismen.

Ich kann nicht länger ruhig bleiben, wenn ich die unfruchtbaren Felder im winterlichen Japan sehe. Mit diesem Halm werde ich, ich selbst, die Revolution beginnen!
(Der Große Weg hat kein Tor)

Nicht nur Getreide, auch Zitrusfrüchte baute Fukuoka so naturnah wie möglich an. Um seine Obstbäume herum wuchsen nicht nur sämtliche Kräuter und Gemüsesorten, sondern auch Unkraut. Für Fukuoka kein Problem, da er an die Kraft eines natürlichen Kreislaufs glaubte. Für seine Direkteinsaat nutzte er zudem sogenannte Samenkugeln (nendo dango). Die in kleine Lehmkügelchen eingeschlossenen Samen sind heute beliebte Helfer in der Guerillagärtnerei.

Für eine Rückkehr zur Natur

Fukuoka war überzeugt vom Versagen der modernen Agrarwirtschaft. Er wurde nicht müde, Wissenschaft und Fortschritt zu kritisieren und die Menschen für seine Anbaumethode zu begeistern – ob in Japan oder am anderen Ende der Welt. In einer Zeit, in der Umweltprobleme und die Sorge um Lebensmittelsicherheit stetig zunehmen, sind seine Gedanken heute aktueller denn je.

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Fukuoka im Kreise seiner Familie im Zitrushain.

Interview | Fukuoka Masato im Gespräch mit JAPANDIGEST

Auch wenn Fukuoka Masanobu inzwischen nicht mehr lebt − seine Philosophie und seine Anbaumethode werden von seinem Sohn, Fukuoka Masato, und dessen Erben weitergegeben. Im Interview mit JAPANDIGEST berichtet Masato von seiner Vision.

Was für ein Leben hat Ihr Vater, Fu­kuoka Masanobu, geführt?

Im Grunde war er ein Bauer wie in frühen Zeiten Japans. Es war alles recht normal. Wir haben zusammen gegessen und ein Leben im Einklang mit der Natur geführt, mit nichts als der Landwirtschaft. Es war eine friedliche und sanfte Anbaumetho­de, deshalb hat mein Vater sich über ihre Verbreitung gefreut. Er hat auch Schüler auf­genommen und betreut.

Ist die Anbaumetho­de auf der Naturfarm Fukuoka heute genau dieselbe wie die Ihres Vaters?

Eigentlich ist sie genauso, doch im Gegensatz zu meinem Vater nutze ich Maschinen für mehr Effizienz. Mein Vater zum Beispiel hat den Reis mit einer Sichel geschnitten, während ich eine Maschine verwen­de. Es sind aber keine großen, son­dern kleine Maschinen. Wenn ich den Menschen in ganz Japan, die sich für meine Produkte interessieren, etwas abgeben möchte, dann muss ich große Mengen herstellen. Zu Lebzeiten meines Vaters gab es hier auch keine Autos, doch heute besitze ich drei LKWs. Wenn ich daran denke, dass ich meine Lebensmittel nicht nur für mich selbst produziere, sondern mit möglichst Vielen teilen möchte, dann geht das nicht anders.

Ich möchte die Welt zu einem Ort machen, an dem die Menschen glücklich leben können.

Mit welchen Problemen haben Sie heute zu tun?

Auch wenn ich inzwischen Maschi­nen nutze, so besteht diese Anbau­methode zu großen Teilen aus Hand­arbeit. Ich habe beschlossen, mich bei der Herstellung meiner Produkte so weit wie möglich auf die Kraft der Natur zu verlassen. Es gibt zwar auch Lebensmittel, bei denen das Säen der Samen alleine ausreicht, doch meist geht es nicht ohne eigene Handar­beit. Ich brauche viel Unterstützung dabei, die Samen großzuziehen. In­zwischen helfen mir ungefähr zehn Personen. Doch meist sind es ältere Menschen. Ich hätte gerne die Hilfe junger Menschen und möchte ihnen diese Anbaumethode näherbringen.

Welche Bedeutung hat die Philo­sophie ihres Vaters in der heutigen Welt und in Japan?

Die Denkweise meines Vaters war keine egoistische. Statt Kunstdünger zu nutzen und so viel zu produzieren, dass er selbst davon satt würde, woll­te er, dass die Welt in einen natürli­chen Zustand zurückkehrt. Er setzte es sich zum Ziel, sie zu einem Ort zu machen, an dem die Menschheit langfristig überleben kann. Wenn man an die gegenwärtigen Probleme denkt, dann wäre das Erlernen seiner Anbau­methode wohl eine gute Gelegenheit, um Dinge zu entdecken, die man bisher nicht beachtet hat. Ich und auch mein Sohn Hiroki möchten daher Masanobus An­baumethode lehren. Wenn möglich möchten wir sie auch meinem fünf­jährigen Enkel vermitteln und hof­fen, dass er mit uns zusammen das­selbe tun wird.

Was ist Ihr Ziel?

Mein großes Ziel ist es, dass die Menschen auf der Erde alle glück­lich werden. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass unsere Welt sich zu einem Ort entwickelt, an dem alle glücklich leben können.


Dieser Artikel wurde  für die Juli 2018-Ausgabe des JAPANDIGEST verfasst und für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet. Das Interview führte Mai Schmidt. Weitere Printartikel rund um Shikoku finden Sie hier!

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