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Mehrwertsteuer in Japan: Die Erhöhung kommt – und mit ihr das Chaos

Matthias Reich
Matthias Reich

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 10 % war seit 2012 beschlossene Sache, wurde jedoch immer weiter aufgeschoben. Bis zum 1. Oktober 2019. Doch mit einer einfachen Erhöhung ist es dieses Mal nicht getan – das System wird nämlich komplizierter.

Zwei offene Hände halten Yen-Münzen

In Sachen Mehrwertsteuer hinkt Japan schon immer im internationalen Vergleich zurück. Bis 1997 lag die Steuer gerade mal bei 3 %, danach bei 5 %. Erst 2012 beschloss man eine stufenweise Erhöhung auf 10 % – Stufe 1 (8 %) wurde im April des übernächsten Jahres verwirklicht. Eigentlich sollte dann im gleichen Jahr auf 10 % erhöht werden, doch die Binnennachfrage sah nicht rosig aus, weshalb man die ohnehin fragile Wirtschaftslage nicht weiter belasten wollte. Zudem ist, aber das liegt schlicht in der Natur der Sache, die Erhöhung umstritten – in der Politik wie auch in der Bevölkerung. Und die Gegenargumente sind nicht von der Hand zu weisen: Es ist nämlich nicht vollends sicher, was der Staat mit dem zusätzlichen Einkommen machen wird. Der Gesetzesentwurf gab vor, dass 100 % der Mehreinnahmen in die soziale Sicherheit, sprich Renten-, Pflege-, Krankenversicherung und dergleichen, fließen sollen, doch das ist äußerst vage. Und: Etliche Preise steigen hier und da, kaum merkbar zwar in den meisten Fällen, doch die Einkommen wollen einfach nicht steigen. Eine Erhöhung um 2 % bedeutet deshalb für fast alle Haushalte, dass bis zu 2 % fortan in der Haushaltskasse fehlen werden.

Um diese Sorgen anzusprechen, hat die Politik entschieden, dass im ersten halben Jahr bis zu 2 % zurückerstattet werden können. Ausgenommen ist davon der Online-Handel. Und: Eine Bedingung für die Rückerstattung ist, dass bargeldlos bezahlt wird, sprich mit Kreditkarte oder einer der vielen Bezahlsysteme wie PayPal oder Line Pay. Zudem soll auf gewisse Artikel des täglichen Bedarfs vorerst der alte Mehrwertsteuersatz weiter gelten. Das bedeutet, dass Einzelhändler fortan Kassen brauchen, die mit unterschiedlichen Steuersätzen umgehen können. Es wird also kompliziert und wirkt fast so, als ob man sich das Ganze in Deutschland abgeschaut hätte. So entstehen zum Beispiel Regeln wie die, dass ein Take-out im Restaurant mit 8 %, der Verzehr im Restaurant hingegen mit 10 % besteuert werden soll. Das sorgt schon seit Wochen bei Betreibern wie Kunden für viel Verunsicherung.

japanisches Preisschild im Laden
Der Preis inkl. Mehrwertsteuer wird in Klammern unter dem Netto-Preis angegeben.

Was wird passieren? Die Leidtragenden sind zweifelsohne kleine Unternehmen, die ihre Kassensysteme umstellen müssen und, so sie nicht viel Geld und Zeit investieren, nicht rechtzeitig bargeldlose Bezahlsysteme einführen können. Dadurch wird ihnen zweifelsohne Kundschaft verloren gehen. Hinzu kommt, dass japanische Restaurant- und Geschäftsinhaber, so sie allein operieren, nur äußerst ungern ihre Preise erhöhen – aus Sorge um die Stammkundschaft. Auch die Ausschilderung der Preise wird sich verkomplizieren: Die Zeiten, in denen nahezu alle Preise inklusive Mehrwertsteuer angegeben wurden, sind ja seit 2014 sowieso schon vorbei (seitdem preist die Hälfte mit und die andere ohne Mehrwertsteuer aus) – doch nun muss in etlichen Fällen mehrfach ausgepreist werden. Fazit: Alles wird ein bisschen komplizierter, und nicht unbedingt besser. Die Preiserhöhung für einige Produkte durch Punktesysteme und dergleichen abzufedern ist dabei letztendlich auch keine Lösung: Den meisten Haushalten wird letzten Endes Geld in der Haushaltskasse fehlen.

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