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Premierminister Suga Yoshihide gibt nach einem Jahr auf – wer folgt?

Matthias Reich
Matthias Reich

Der amtierende Premierminister Japans, Suga Yoshihide, gab überraschend bekannt, dass er nicht für die Wahl der Vorsitzenden seiner Partei - und damit auch nicht zur Wahl des Premierministers - kandidieren wird. Angesichts seiner schlechten Zustimmungswerte in der Bevölkerung ein folgerichtiger Schritt?

Wahlplakat Suga Yoshihide
Altes Wahlplakat von Suga Yoshihide in Kyōto. © Trevor Mogg / Alamy Stock Photo

Ende August 2020 und inmitten der Pandemie warf der langjährige Premierminister Abe Shinzō überraschend aus gesundheitlichen Gründen sein Handtuch. Es folgte Suga Yoshihide, die kampferprobte, rechte Hand Abes. Doch nach einem Jahr unter der Führung Sugas und Wahlen vor der Tür (geplant für November 2021) mussten sich die regierenden Liberaldemokraten (LDP) fragen, ob ein „Weiter so“ reicht. Suga beantwortete die Frage nun selbst.

Sinkende Zustimmungswerte 

Die Umfragewerte der Mainichi Shimbun in Zusammenarbeit mit dem Social Survey Research Center vom 28. August 2021 ergaben ein klares Bild: 26 % der Befragten gaben an, mit der Arbeit des Suga-Kabinett zufrieden zu sein – 66 % hingegen sind unzufrieden. Suga startete sein Amt im September 2020 noch mit einer Zustimmung von fast 60 %, doch seitdem sanken die Werte fast ununterbrochen.

Ein Trend, der sich auch schon in einigen Kommunalwahlen niederschlug – so musste ausgerechnet der LDP-Kandidat in Sugas Heimatstadt Yokohama bei der Bürgermeisterwahl im August 2021 eine krachende Niederlage hinnehmen. Kandidat Okonogi  Hachirō nahm anschließend kein Blatt vor den Mund: “Je mehr Suga in den Wahlkampf eingriff, desto mehr konnte ich (seine) Unbeliebtheit spüren”. Innerhalb der Partei mehrten sich die Stimmen, dass mit Suga keine Wahl zu gewinnen sei.

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Überraschende Absage 

Generalsekretär Nikai Toshihiro und andere Strippenzieher der LDP bekundeten öffentlich ihre Unterstützung für den Premierminister, doch dieser zog nun ganz überraschend am 3. September die Notbremse und gab bekannt, bei der Wahl zum Parteivorsitzenden der Liberaldemokratischen Partei am 17. September nicht mehr zur Verfügung stehen zu wollen. Traditionsgemäß wird der Parteivorsitzende nach gewonnener Wahl zum Ministerpräsidenten gekürt – das bedeutet dementsprechend, dass Suga nach nur einem Jahr im Amt das Handtuch wirft. Sicherlich ein schwerer Schritt, den man nur respektieren kann.

Sugas Agenda war von Anfang an, die Politik seines Vorgängers fortzusetzen. Das beinhaltete zahlreiche wichtige Vorhaben – an erster Stelle lag natürlich die Eindämmung der Pandemie sowie die Wiederbelebung der Wirtschaft. Die Ergebnisse waren durchwachsen. So warf man Suga vor, die Go To-Travel-Kampagne, bei der Reisen vom Staat bezuschusst wurden, um den Binnentourismus zu beleben, zu spät gestoppt zu haben.

Schlechte Pandemiekontrolle

Eine Exit-Strategie aus der Pandemie vermisste man ebenso wie eine zügige Impfung der Bevölkerung. Letztere kam zwar in den Monaten dank der Bemühungen Sugas zunehmend in Fahrt, doch diese Erfolge wurden von den Sorgen bezüglich der Pandemielage im Land im Juli und August überschattet. Wochenlang wurden saita, “höchste” Werte gemeldet, und das Gesundheitswesen kollabierte so sehr, dass kaum noch ein Corona-Patient eine adäquate Versorgung in einem Krankenhaus bekommen konnte. Es war schließlich die Pandemie, die Sugas Zustimmungswerte in den Keller fallen ließ.

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Weitere Vorhaben waren die Einrichtung eines Ministeriums für Digitales sowie die Stärkung der japanisch-amerikanischen Freundschaft, vor allem im Hinblick auf das immer selbstbewusster auftretende China. Außenpolitisch konnte Suga mehrfach punkten, wenn auch eines der Hauptaugenmerke – die Verhandlung mit Nordkorea über das Schicksal entführter japanischer Staatsbürger – nicht vorankam. Doch das wirft ihm kaum jemand vor, zumal sich Nordkorea aufgrund der Pandemie nun vollends von der Außenwelt abgeschottet hat.

Bei der Innenpolitik zeigte Suga mehrfach seinen Ruf, ein Macher zu sein, der Dinge einfach geschehen lässt. Diverse Vorhaben, so das oben genannte Digitalministerium, aber auch andere, teils unbeliebte Vorhaben wie zum Beispiel die Lösung des kontaminierten Wassers in der Atomruine von Fukushima durch Einleitung ins Meer, wurden von Suga verwirklicht.

Mangelnde Kommunikation

Am lautesten ist allerdings der Vorwurf einer mangelnden Kommunikation. Während sein Vorgänger Abe unüberhörbar poltern konnte, aber auch gern die eigenen Erfolge anpries, so war Suga schon immer ein eher leiser Typ – ein Typ Politiker, der besser und viel effizienter im Hintergrund arbeiten konnte. Die mangelnde Kommunikation führte dazu, dass niemand so recht wusste, was Suga eigentlich macht. Dabei hat er in dem einen Jahr etliches ins Rollen gebracht, und das ganz ohne Skandal.

In den kommenden Wochen liegt nun der Fokus auf den Nachfolger oder gar die Nachfolgerin, denn mit Takaichi Sanae bewirbt sich auch eine Frau um den Posten. Große Chancen werden ihr momentan allerdings nicht eingeräumt.

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