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Tarō Yamada oder Yamada Tarō? Das japanische Namenschaos

Matthias Reich
Matthias Reich

Eigentlich wird in Japan der Familienname zuerst genannt – doch herrscht nur bei der Schreibung auf Japanisch Einigkeit. Sobald mit lateinischen Buchstaben geschrieben wird, wird es unübersichtlich. Das will die Regierung nun richten, aber der Weg dorthin ist steinig.

Yamada Taro oder Taro Yamada

Vor mehr als einhundert Jahren, während der Meiji-Restauration (ab 1868), wurde Japan in atemberaubender Geschwindigkeit reformiert. Erstmals durften bzw. mussten alle japanischen Bürger einen Nachnamen annehmen – vorher war dies nur den Amtsträgern und Samurai vorbehalten. Weiterhin wurde beschlossen, beim Schreiben in lateinischen Buchstaben die in Europa gängige Reihenfolge zu verwenden: Vorname Nachname. Diese Schreibweise ist nicht nur in Japan unüblich – auch in Korea, Vietnam, Thailand, Ungarn und anderen Ländern wird der Familienname zuerst genannt. Im Falle von Korea hat sich diese Form auch mehr oder weniger in der lateinischen Schreibweise durchgesetzt – sonst würde man mal von Kim Jong-un und mal von Jong-un Kim lesen, denn Kim ist der Familienname. Nirgendwo sieht man letztere Reihenfolge.

Inkonsequente Schreibweise auch in Japan

Im Japanischen ist man da leider weniger konsequent. Manche – und das schließt auch japanische Behörden und Institute ein – benutzen die eine Reihenfolge, manche die andere. Mal heißt der amtierende Ministerpräsident Yoshihide Suga, mal Suga Yoshihide. Wikipedia ist da keine Ausnahme: Die deutsche Version nennt den Vornamen zuerst, und zwar durchgehend. Das verwirrt. Wer des Japanischen kundig ist, kann in mehr als 95 % der Fälle sicher Vor- und Nachname voneinander unterscheiden, erst recht, wenn man die Schriftzeichen sieht (ortsbezogene Schriftzeichen wie das für ta (田, Reisfeld), yama (山, Berg) oder hara (原, Feld) deuten zum Beispiel auf einen Nachnamen hin). Doch in einem Land mit über 300.000 verschiedenen Familiennamen und ähnlich vielen Vornamen ist es in manchen Fällen nicht so eindeutig, und bei historischen Namen wird es erst richtig kompliziert: Hieß einer der drei Reichseiniger nun Toyotomi Hideyoshi oder Hideyoshi Toyotomi?

japanische namensstemeplDie zehn häufigsten japanischen Nachnamen und deren BedeutungSeit der Meiji-Zeit sind Familiennamen für alle japanischen Bürger verpflichtend. Zuvor waren diese nur bei Samurai, Adeligen und Händlern g...19.11.2018

Der ehemalige Ministerpräsident Abe hatte es sich 2019 auf seine Agenda gesetzt, die japanische Reihenfolge Nachname Vorname durchzusetzen – mit mäßigem Erfolg. Dabei scheute man selbst vor Druck auf Journalisten nicht zurück – es gibt Berichte von Fällen, in denen Journalisten die Akkreditierung für bestimmte Veranstaltungen verweigert wurde, wenn sie an der Vorname Nachname-Reihenfolge festhielten.

Uneinigkeit in Wissenschaft und Bevölkerung

Bei einer Umfrage der Tageszeitung Yomiuri Shimbun in diesem Jahr gaben 59 % der Befragten an, den Wechsel auf Nachname Vorname gutzuheißen. Nur 27 % waren dagegen – hauptsächlich, weil sie einen internationalen Standard bevorzugten. So weit, so gut. Allerdings gaben bei der gleichen Umfrage 64 % an, ihren vollen Namen mit dem Vornamen zuerst zu schreiben – lediglich 31 % folgten der empfohlenen Reihenfolge. Das Problem schlägt sich auch in der Wissenschaft nieder, wo es gleich mehrere Varianten gibt: Yoshihide Suga, Suga Yoshihide, SUGA Yoshihide und Yoshihide SUGA. Allerdings setzte sich die Schreibweise des Nachnamens mit Großbuchstaben nie wirklich durch.

Eine Durchsetzung des neuen, für Japaner „natürlichen“ Standards erscheint schwer, kämpft man doch an zwei Fronten: Zum einen müssen die Landsleute und zum anderen der Rest der Welt davon überzeugt werden, sich auf einen, und zwar den japanischen Standard, zu einigen. Das wird noch schwerer sein als der Versuch Südkoreas, den geografischen Namen „Japanisches Meer” aus den Köpfen der Welt zu tilgen (stattdessen soll „Ostmeer” benutzt werden).

Japanische NamensstempelHerausforderung japanischer Name: Kanji und AusspracheJapanische Namen klingen für unser Ohr manchmal sonderbar, manchmal ganz vertraut - auch wenn die richtige Aussprache und Schreibweise sowie...24.05.2018

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