Amakusa: Die Inseln mit den Kirchen

Marie-Louise Helling
Marie-Louise Helling

Kiefernbäume, christliche Kirchen und farbenfrohe Festival-Tänze: Amakusa ist nicht nur eine faszinierende Inselwelt, sondern auch eine der am stärksten christlich geprägten Regionen Japans.

Die Sakitsu-Kirche: Eine von 12 Kirchen Amakusas, die den Frieden symbolisiert. © 恵藤 / PhotoAC

Im südwestlichen Kyūshū, rund sechzig Kilometer von der Stadt Kumamoto entfernt, erstreckt sich die Amakusa-Inselgruppe weit ins Meer hinaus. Sie ist bekannt für ihre spektakulären Felsformationen, herrlichen Ausblicke und üppige Vegetation. Mit ihren etwa 120 kleinen und großen Inseln zählt Amakusa zu den drei schönsten Kieferninsel-Landschaften Japans. Sowohl bei Tag als auch bei Nacht lädt die Region zum Verweilen und Genießen ein.

Shimoda-Onsen: Heiße Thermalquellen und traditionelle Ryokan-Hotels laden in der kleinen Stadt zum Verweilen ein. © Usami303 / PhotoAC

In den Gewässern vor einer der kleineren Inseln, Tsujishima, tummeln sich mehr als 200 wilde Delfine. Sie leben in Herden zusammen und können im Rahmen von Bootstouren der Sea Cruise Company mit bloßem Auge beobachtet werden. Die Boote fahren das ganze Jahr über und bieten den Gästen mit einer Erfolgsquote von 98 Prozent die Chance, Delfine zu sehen. Sollte man zu den restlichen zwei Prozent gehören, erhält man eine weitere Fahrt kostenlos. Mit etwas Glück kann man sogar Jungtiere beobachten, wie sie fröhlich durch das Wasser flitzen und Sprünge vollführen.

Auch Wanderungen auf den Berg Takabuto oder zum Nishibira-Tsubaki-Park sind empfehlenswert. Im Nishibira-Tsubaki-Park blühen im Winter üppig rote Kamelien, während im Frühling die Kirschblüten die Landschaft in zarte Rosatöne tauchen. Sehenswert ist zudem der zwanzig Meter hohe Feigenbaum. Ruhe und Entspannung bieten der Shimoda Onsen und die traditionellen Ryokan-Hotels im Westen der Insel Shimoshima. Für Mutige steht dort eine besondere Spezialität bereit: Seeigel – das traditionelle Gericht von Amakusa.

Sternenhimmel über Shimoshima: Ein Abend an der Myōken-Bucht mit Blick auf die Milchstraße. © 恵藤 / PhotoAC

Wer sich für die Geschichte der Inselgruppe interessiert, wird mit der düsteren Epoche der Christenverfolgung konfrontiert. Die Vergangenheit hat deutliche Spuren hinterlassen. Manche Einwohner auf Amakusa hängen das ganze Jahr über shintoistischen Neujahrsschmuck über ihre Eingangstür. Sie wollen zeigen, dass sie ausschließlich nach traditionell japanischem Glauben leben. Im Volksmund wird Amakusa auch „die Inseln des Gebets“ genannt. Der Name ist ein Zeichen dafür, dass der Glaube an die Menschlichkeit nie aufgegeben wurde und wieder Frieden einkehrte.

Das Fischerdorf Sakitsu

Während der Edo-Zeit (1603–1868) lebten auf Amakusa die „versteckten Christen“, die vor der Unterdrückung ihrer Religion in die entlegenen Winkel der Inselwelt flüchteten. Deshalb lassen sich auf Amakusa zahlreiche Kirchen finden, die allesamt Symbole für die wiedergewonnene Freiheit der Christen auf der Inselgruppe sind. Eines der zwölf repräsentativen Dörfer, in denen die Christen heimlich weiterhin ihren Glauben praktizierten, ist das Fischerdorf Sakitsu. Es liegt im Süden der Insel Shimoshima, in der Yōkaku-Bucht. Seine Gründung geht zurück in die Sengoku-Zeit (1467–1603).

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Im Jahr 1569 bewegte der christliche Missionar Luis de Almeida viele Einwohner zum Katholizismus. Als 1614 die Christenverfolgung begann und der Shimabara-Aufstand 1637 folgte, wurden alle Arten von christlichen Statuen, Gebeten oder Symbolen verboten. Die Christen wussten sich zu helfen und erfanden neue Wege, ihrem Glauben auf einzigartige Weise treu zu bleiben. Dafür verwendeten sie alltägliche Gegenstände, denen sie eine neue Bedeutung gaben und für die Andacht einsetzten. Die Perlmuttmuster der Abalone-Muscheln verehrten sie als Abbild der Mutter Maria. In Statuen, die den japanischen Gott Ebisu darstellten, sahen sie ihren christlichen Gott. Aus Weißlippen-Perlenaustern wurden christliche Amulette angefertigt. Sie registrierten sich im örtlichen Dorftempel und schlossen sich den Shintō-Schreinen an, um nach außen hin den Schein zu wahren. Im Suwa-Schrein sprachen sie im Verborgenen ihr Tagesgebet.

Einmal jährlich wurde im Haus des Dorfvorstehers die Efumi-Zeremonie durchgeführt, bei der Abbilder von Maria oder Jesus Christus mit den Füßen zu treten waren, um zu bezeugen, keinem christlichen Glauben anzuhängen. Wer sich nicht auf die Zeremonie einließ, wurde verhaftet. Rund 70 Prozent der Christen wurden über die Jahre inhaftiert. Unter der Bedingung, alle verbliebenen Andachtsgegenstände dem Suwa-Schrein zu übergeben, wurden sie jedoch glücklicherweise unversehrt wieder freigelassen.

Nach dem Ende der Verfolgungen im Jahr 1873 wurde fünfzehn Jahre später die Sakitsu-Kirche neben dem Suwa-Schrein gebaut. Ihr Standort wurde 1934 auf das Grundstück des ehemaligen Dorfvorstehers Yoshida verlegt. An ihrer ursprünglichen Stelle steht heute ein Kloster. Im Innenraum der Sakitsu-Kirche liegen Tatami-Matten, und genau an der Stelle, wo einst die Efumi-Zeremonie stattfand, steht heute der Altar.

In der Nähe der Sakitsu-Kirche ließ der französische Missionar Peter Garnier 1933 die Ōe-Kathedrale im romanischen Stil erbauen. Im Juli 2018 wurden die zwölf christlichen Orte von Amakusa offiziell in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten aufgenommen, und am Hafen von Sakitsu wurde eine Statue der Mutter Maria errichtet. Noch heute kann man die Muschel-Amulette und Maria-Abalonen im Minatoya-Sakitsu-Museum besichtigen. Der Eintritt ist kostenlos. Weitere 200 Exponate, darunter Waffen aus der Zeit der Shimabara-Rebellion, lassen sich im Christlichen Museum in der Stadt Amakusa finden.

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Das Sugi-Yōkan

Es ereigneten sich nicht nur dunkle Zeiten im Laufe der Geschichte von Sakitsu. Ein kleiner Lichtblick ist das Sugi-Yōkan – eine lokale Süßigkeit aus Mochi-Klebreis und roter Bohnenfüllung, die wunderbar mit grünem Tee genossen werden kann. Seit Generationen wird das Rezept weitergegeben, das vor etwa 220 Jahren in das kleine Fischerdorf kam. Ein Gesandter des Ryūkyū-Inselkönigreichs, zu dem auch Okinawa zählt, war zu den Feierlichkeiten des Tokugawa-Shogunats eingeladen worden. Auf seinem Weg nach Satsuma erlitt er Schiffbruch vor der Küste Sakitsus und wurde von den Dorfbewohnern gerettet. Zum Dank verriet er ihnen das Rezept und erklärte, wie die Süßigkeit lange haltbar blieb – nämlich durch die Zugabe von Zedernnadeln.

Der Geburtsort der Haiya-Tänze

An der südlichsten Spitze von Shimoshima befindet sich die Hafenstadt Ushibuka, wo in der Edo-Zeit die Meeresfrüchteproduktion florierte. Damals entstand der Brauch unter den Frauen, das Lied „Ushibuka Haiya Bushi“ für die Seeleute zu singen, wenn sie wegen ungünstiger Wetterbedingungen auf ihre Weiterfahrt warten mussten. Die Strophen handeln vom erhofften Südwind sowie von Spaß und Albereien in den Hafenkneipen. Der Südwind hieß „Wind von Haiya“, woher auch der Name der Tänze rührt, die nun jeden Juni in mehr als vierzig Hafenstädten in ganz Japan aufgeführt werden. Nur in der Stadt Ushibuka kommen im April Tausende Menschen zusammen, um das fröhliche Volkslied zu singen und in farbenfrohen Yukatas ausgelassen durch die Straßen zu tanzen. Dem Tanz zu Ehren gab die Stadt Amakusa der längsten Brücke der Präfektur Kumamoto den Namen „Ushibuka-Haiya-Brücke“.

Die Ushibuka Haiya Brücke: Ihre Windschutzscheiben stellen Fischschuppen dar, die an die Seefahrer und Fischer der vergangenen Zeiten erinnern sollen. © 恵藤 / PhotoAC

Anfahrt

Vom Bahnhof Kumamoto fährt die JR-Linie nach Misumi. Vom Osthafen Misumi aus verkehrt die Amakusa-Takarajima-Fähre etwa alle zwei Stunden (9:15, 11:45, 14:25, 16:15) nach Shimoshima, einer der größten Inseln von Amakusa. Eine Fahrt kostet für Erwachsene 1.000 Yen (ca. 8 Euro), für Kinder 500 Yen (ca. 3,50 Euro). Dort angekommen empfiehlt es sich, einen Mietwagen zu nehmen, um die Inseln eigenständig und unkompliziert erkunden zu können. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es auf Amakusa kaum.

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