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B-Boy-Culture: Hip-Hop in Japan

Sina Arauner
Sina Arauner

Vom Untergrund in den Mainstream und wieder zurück - seit den 80er Jahren hat Hip-Hop die Musiklandschaft Japans beeinflusst und geprägt. Doch nicht nur als Musikgenre, auch als Lebenseinstellung hat Hip-Hop-Kultur in Japan Fuß gefasst.

breakdance
Musik- und Tanzkultur sind in Japan stark verknüpft - ohne Breakdance hätte Hip-Hop sich in Japan wohl anders entwickelt. © Photocapy / flickr

Fujiwara Hiroshi ist einer der maßgebenden Künstler in der japanischen Streetwear-Szene. Als Designer, DJ und Musikproduzent ist er einer der einflussreichsten Trendsetter in Mode- und Musik. Außerdem gilt er als einer der ersten Hip-Hop-DJs in Japan, seit er in den 1980er Jahren aus New York jede Menge Platten nach Japan mitbrachte.

Während DJs wie Fujiwara in den Untergrund-Clubs Japans amerikanischen Hip-Hop auf den Plattentellern mischten, kam im Herbst 1983 mit dem amerikanischen Film “Wild Style” der Breakdance nach Japan. Im Rahmen einer Promotionstour reisten beteiligte Künstler, unter anderem die Rock Steady Crew aus Manhattan, nach Japan und bereiteten den Weg für die “B-Boys”, die Breakdancer. Im Yoyogi-Park in Tōkyō entwickelte sich eine rege Breakdance-Szene, die unter anderem auch als Startpunkt für DJ Krush diente, der heute zu den führendsten DJs der Welt gezählt wird. Seit 1997 findet in diesem Park jährlich das Hip-Hop-Festival “B-Boy-Park” statt.

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DJ Krush bei einem Auftritt in London 2013 © steven howard / flickr

Unter dem Einfluss japanischer Hip-Hop-Gruppen wie King Giddra und Buddha Brand entwickelten sich Mitte der 1990er Jahre individuelle, japanische Stile im Hip-Hop. Die Texte, die zuvor dem Hedonismus frönten, wurden zunehmend politisch und spezifisch für Japan. Es entstand ein reger Diskurs über das Wesen des japanischen Hip-Hop und wie dieser sich vom US-amerikanischen Hip-Hop unterscheiden sollte oder wollte. Der kommerzielle Erfolg des J-Rap oder Party-Rap stand in hartem Kontrast zur Untergrund-Club-Szene, sowohl Künstler als auch Fans waren in zwei Lager geteilt.

Auf der einen Seite stand der Untergrund, zum Beispiel Lamp Eye, der sich selbst als den authentischen und damit “wahren” Hip-Hop sah. Dieser Logik folgend argumentierten auch Künstler des J-Rap, wie Scha Dara Parr, “wahren” Hip-Hop zu machen, denn je mehr ein Publikum sich mit der Musik identifizieren könne, desto wahrer sei diese Musik.

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Gelten als Pioniere des japanisch-sprachigen Hip-Hop: Rhymester ©Nesnad CC BY-SA 3.0

Seit den 2000ern erlebt die Hip-Hop-Szene in Japan eine starke Diversifizierung. Die beiden Kategorien “Untergrund” und “Party-Rap” reichen längst nicht mehr aus, um alle Stile im japanischen Hip-Hop zu erfassen. Regionale Hip-Hop-Szenen wuchsen unter anderem auf Okinawa (Akazuchi), in Kanagawa (Simi Lab) und Yokohama (Ozrosaurus). Durch Einflüsse aus dem Cool-Jazz (Nujabes), Trap (Kohh), Rock (Dragon Ash) und traditioneller japanischer Musik (DJ Krush) konnte japanischer Hip-Hop seine ehemalige Zweidimensionalität zurücklassen und sich mehr und mehr auch international etablieren.

Auch Kollaborationen zwischen “Untergrund”- und “Mainstream”-Künstlern, sorgten dafür, dass Hip-Hop sich auch außerhalb der Clubs massentauglich etablierte. Das Lied “Sweetest Coma Again” der beliebten Visual kei-Gruppe Luna Sea entstand in Zusammenarbeit mit DJ Krush und wurde schließlich sogar für den japanischen Soundtrack des Films “James Bond 007 – Die Welt ist nicht genug” ausgewählt.

Große Furore machte 2015 das Stück “It G Ma”, das aus einer Zusammenarbeit koreanischer und japanischer Rapper entstand. Spätestens seit dem Erfolg dieses Trap-Tracks ruht auch das Auge der internationalen Hip-Hop-Szene auf Japan.

[Video] It G Ma

Kulturelle Kontroverse

Trotz der raschen Verbreitung von Hip-Hop in Japan war die Entwicklung zur Unabhängigkeit vom US-amerikanischen Hip-Hop recht langsam. Bis heute sieht sich japanische Hip-Hop-Kultur dem Vorwurf der kulturellen Aneignung afro-amerikanischer Einflüsse ausgesetzt. Das US-amerikanische Musik-Magazin “Vibe” widmete 2002 einen ganzen Artikel dem Phänomen der kulturellen Aneignung Japans in Bezug auf die jamaikanische Reggae- und die US-amerikanische Hip-Hop-Szene. Als eine Ursache hierfür nennt die Autorin Baz Dreisinger fehlendes Wissen um die Ursprünge der Musik. Während Künstler in ihrer Musik eine Hommage an afro-amerikanische Musiker sähen, wüssten Fans oftmals nichts über diese und interpretierten die Musik als “japanisch”.

Andere wiederum gehen so weit, die afro-amerikanische Kultur vollständig zu absorbieren und auf den eigenen Alltag zu übertragen. Das Phänomen der sogenannten B-Styler (auf japanisch B-kei B系) wird kontrovers diskutiert. Für manche wirkt das Phänomen als ignorantes und rassistisches Verhalten, andere argumentieren, dass die Szene weder besonders groß, noch besonders spezifisch für Japan wäre.

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Der Laden "Baby Shoop" im populären Einkaufszentrum 109 in Shibuya, Tōkyō, catert unter dem Motto "Black for Life" an junge Frauen, die den B-Style leben. (Screenshot der Facebook-Seite, 18.11.2016)

Ob B-Style sich nun auf die afro-amerikanische Kultur (black culture) oder einfach Hip-Hop-Kultur (breakdance culture) bezieht, ist wohl von Individuum zu Individuum verschieden. Der Diskurs um den Begriff zeigt jedoch, wie stark das Musikgenre mit dem Lebensgefühl vieler Fans verknüpft ist.

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