Japan Travel Photographers Association: Die surreale Welt des Künstlers Asano Shōun

Beton statt Bronze: Der japanische „Beton-Buddhakünstler“ Asano Shōun schuf im 20. Jahrhundert über 800 teils farbenprächtige, teils skurrile Skulpturen aus Beton. Zwischen Volksglauben, Märchenwelt und Buddhismus entfaltet sich in seinen Werken eine ganz eigene, oft übersehene Form japanischer Alltagskunst.

Soldatenstatuen des Künstlers in der Präfektur Aichi. © Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA

Wer durch die ländlichen Regionen Japans reist, stößt mitunter unvermittelt auf ein seltsames Schauspiel: monumentale, farbenprächtige Statuen aus Beton – ein Mönch in Predigerpose, ein Märchenheld mit Schwert, grimmige Dämonen oder Samurai in voller Rüstung. Diese Figuren sind keine Überbleibsel eines Freizeitparks oder Filmsets, sondern das Lebenswerk eines einzelnen Mannes: Asano Shōun (1891–1978). Ohne akademische Ausbildung, aber mit unbeirrbarem Willen und schier endloser Schaffenskraft hinterließ er über 800 Werke, die heute als einzigartige Mischung aus religiöser Volkskunst, naivem Realismus und skurrilem Humor gelten.

Vom Ton zum Beton

Geboren 1891 im Dorf Sakamoto (heute Nakatsugawa, Präfektur Gifu), stammte Asano Shōun aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater arbeitete in der Landwirtschaft und fertigte nebenbei traditionelle Tonfiguren an. Auch Asano begann mit der Herstellung solcher Figuren – doch seine künstlerischen Ambitionen reichten bald über das Kleinformat hinaus. Sein Wunsch: größere Werke schaffen. Und so wechselte er das Material – von Ton zu Beton. Mit 33 Jahren im Jahr 1924 zog er nach Nagoya und verdiente seinen Lebensunterhalt zunächst als Maler von Kinoplakaten. Parallel dazu entwickelte er seine eigene Technik zur Herstellung von Betonfiguren, ganz ohne formale Ausbildung – nur durch Übung, Neugier und Beharrlichkeit.

Über 800 Skulpturen – Volkskunst mit Charakter

Seine Werke stellen buddhistische Figuren oder historische Persönlichkeiten dar, meist in Lebensgröße oder sogar darüber hinaus. Ihre Zahl beläuft sich auf mindestens etwa 800. Viele befinden sich konzentriert an einem Ort – in Tempelanlagen, Themenparks oder Freiluftmuseen. In technischer Hinsicht wirken die Werke manchmal unbeholfen, doch gerade das verleiht ihnen einen einzigartigen Charme. Ihr unverkennbarer Stil zieht noch heute Fans in ihren Bann. Ein gewaltiges Lebenswerk, das trotz (oder gerade wegen) seiner Exzentrik als ein Stück japanischer Alltagskunst gilt.

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Eine Spurensuche: Der Mann hinter dem Beton

Über Asano Shōuns Leben war lange Zeit nur wenig bekannt. Der Journalist und Autor Ōtake Toshiyuki, der sich ab den 2000er-Jahren intensiv mit Asanos Werk beschäftigte, schildert die mühsame Recherche: Nur der Nachname war überliefert. Mit Hilfe eines Telefonbuchs rief er sämtliche „Asano“-Haushalte der Region an – und fand schließlich die beiden Töchter des Künstlers.

Durch ihre Erzählungen wurde klar: Der Künstler war ein äußerst sturer, handwerksorientierter Mensch – einer, der seiner eigenen Vorstellung treu blieb und zeitlebens keine Kompromisse machte. Er glaubte an seine Kunst und wich bis zuletzt nicht von seiner Vision ab, ganz gleich, wie sehr sie dem Mainstream widersprach. 2009 wurde im Goshikien-Park in Nisshin (Präfektur Aichi) ein Restaurierungsprojekt ins Leben gerufen. Ziel: die Erhaltung und Pflege der dortigen Asano-Figuren. Mittlerweile erfährt das Werk Asanos auch international Beachtung – als außergewöhnlicher Ausdruck von Volksglauben und populärer Ästhetik im Japan des 20. Jahrhunderts.

Momotarō-Schrein (Momotarō-Park), Inuyama, Aichi

Ein skurriler Schrein, der ganz dem Märchenhelden Momotarō gewidmet ist. © Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA
Figuren von Momotarō, seinen Gefährten und den Dämonen. © Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA
© Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA
Kindlich verspielt und zugleich surreal, wirkt es wie ein Spielplatz für Kinder – gerade das macht den surrealen Reiz aus. © Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA

Goshikien (Nisshin, Aichi)

Größter erhalten gebliebener Komplex mit Asano-Figuren (über 200 Werke). © Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA
Ein buddhistischer Themenpark rund um das Leben des Mönchs Nichiren. © Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA
Figuren mit erzählerischem Charakter wie z. B. „Nichirens Straßenpredigt“ stehen dicht beieinander. © Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA
© Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA

Sekigahara War Land (Sekigahara, Gifu)

Themenpark zur berühmten Schlacht von Sekigahara. © Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA
Rund 240 Figuren von Samurai und Kriegsszenen. © Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA
© Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA
© Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA
Die Atmosphäre dieser Anlage erinnert an die von Goshikien – aber statt buddhistischer Szenen geht es hier um das Thema Sengoku-Zeit (also die Ära der Streitenden Reiche / Samurai-Kriege).“ © Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA

Militärfiguren in Nakanoin (Minamichita, Aichi)

Eine kleine, eindrucksvolle Ansammlung von Betonfiguren japanischer Soldaten. © Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA
Ausdrucksstark und teils melancholisch – eines der stilleren Werke Asano Shōuns. © Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA
© Miura Makoto und Hironobu Ishikawa / JTPA

 

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