Mein Leben in Deutschland (Teil 1) – Aus dem Alltag einer Austauschstudentin

von Kei Okishima
Ein Spaziergang durch Deutschlands Natur. © Inoue Rine

Seit Februar 2020 lebt die japanische Austauschstudentin Inoue Rine in Heidelberg. Im Interview mit JAPANDIGEST erzählt sie von ihren Erlebnissen, dem deutschen Uni-Alltag und wie sie die schwierigen Umstände in diesem Jahr meistert.

Sei es für die Arbeit, die Familie oder zum Studium, temporär oder für den Rest des Lebens – Anlässe gibt es viele, aus denen sich ein Mensch dazu entscheidet, die eigene Heimat für ein fremdes Land zu verlassen. In Deutschland leben über 45.000 japanische Staatsbürger, auch ihre Beweggründe sind facettenreich. Warum haben sie sich auf diese aufregende Reise begeben? Was gefällt ihnen an Deutschland? Welche Schockmomente gab es? Wir haben mit drei Japanerinnen gesprochen, die auf unterschiedliche Weisen ihren Weg hierher gefunden haben und uns von ihren Erfahrungen berichten.


 

Inoue Rine

Austauschstudentin
Seit Februar 2020 in Deutschland

 ___________ Profil ___________

Heimatstadt: Tōkyō

Lebt in: Heidelberg

Wo sie schon mal gewohnt hat:
München

Deutsches Lieblingsgericht:
Brezel, Quarktasche, Weißwurst,
Schweinebraten

 

Sightseeing in Deutschland. © Inoue Rine

Warum wollten Sie in Deutschland studieren?

Da ich mich sehr für Europa und europäische Geschichte interessiere, wollte ich wenigstens einmal im Ausland studieren. Als ich an die Uni kam, wählte ich Deutsch als zweite Fremdsprache, weil ich die Wörter und Aussprache so cool fand. Je mehr ich lernte, desto faszinierter war ich von dieser Sprache. Ich war vorher bereits zweimal in Deutschland, aber nur für je einen Monat. Kaum hatte ich mich eingelebt, musste ich schon wieder nach Hause fliegen. Durch das Auslandsstudium kann ich mich nicht nur an den deutschen Alltag richtig gewöhnen, sondern auch ordentlich studieren.

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Wie viel wussten Sie über Deutschland, bevor Sie hierher kamen?

Vor meinem ersten Aufenthalt wusste ich fast nichts über Deutschland. Ich hatte klassische, stereotypische Vorstellungen, z.B. dass Deutsche jeden Tag Bier trinken und Wurst mit Kartoffeln essen. Jetzt weiß ich, dass manches zutrifft und manches nicht. Mir fiel die Vorstellung schwer, allein in einem Wohnheim zu leben, denn vorher war ich stets bei Gastfamilien untergebracht und selbst in Japan habe ich noch nie alleine gewohnt. Ich hatte keine Ahnung, wie Studierende in Deutschland ihren Alltag ganz allein bewältigen und wie deren Leben aussieht.

Während des Auslandsstudiums muss ebenfalls fleißig gelernt werden. © Inoue Rine

Wie lange hat es gedauert, sich an den Alltag hier zu gewöhnen?

Bei meinem ersten Aufenthalt hat es gut zwei Wochen gedauert. Dieses Mal musste ich mich erst an eine neue Stadt und das Alleinleben gewöhnen, das brauchte etwa 1-2 Monate. Kurz nachdem ich ankam, begann die Corona-Krise und ich konnte deswegen kaum rausgehen oder an Uni-Kursen teilnehmen. Das hat es mir wohl so schwer gemacht, mich einzuleben.

Aufgrund der aktuellen Situation ist mein derzeitiges Studentenleben wohl etwas anders als es eigentlich sein sollte.

Wie ist das deutsche Uni-Leben?

Aufgrund der aktuellen Situation ist mein derzeitiges Studentenleben wohl etwas anders als es eigentlich sein sollte. Ich glaube trotzdem, dass es in Deutschland für Studierende leichter ist als in Japan, doch das mag daran liegen, dass ich eben eine Austauschstudentin bin. Die Miete im Wohnheim, Lebensmittel wie Obst und Gemüse und sogar das Monatsticket sind günstig. Es gibt viele Einrichtungen und Geschäfte mit einem Studentenrabatt und ich denke, grundsätzlich ist hier alles sehr studentenfreundlich.

Auf ein gutes Bentō wird auch hier nicht verzichtet. © Inoue Rine

Schwierige Zeiten überwinden und das Leben genießen.

Was ist die bisher schönste Erfahrung an Ihrem Aufenthalt?

Meine Reisen sind eine wundervolle Erinnerung, aber eines der Dinge, die mich am glücklichsten machen, sind die Gespräche, die ich mit Deutschen führen konnte. Diese haben mir so viel Spaß gemacht, dass ich noch mehr Deutsch reden wollte und ich wurde stetig motivierter. Wegen der Corona-Krise gibt es noch immer viele Einschränkungen, doch ich bin froh, dass ich mit Freunden lernen, kochen oder noch reisen kann. Ich denke, diese schwierigen Umstände zu überwinden und das Auslandsstudium trotzdem zu genießen, wird wohl meine schönste Erfahrung werden.

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War oder ist es schwierig für Sie, mit Deutschen in Kontakt zu treten?

Wegen der Sprachbarriere selbstverständlich. Unabhängig von der Sprache unterscheidet sich jedoch der deutsche Humor vom japanischen. Manchmal verstehe ich nur die Wörter nicht, aber in Deutschland macht man wohl auch einfach andere Witze.

Wird Ihnen die Rückkehr nach Japan schwerfallen?

Ich möchte nicht zurück! Ich habe noch nicht genug von Deutschland. Meine Deutschkurse wurden drastisch reduziert und ich habe das schlimme Gefühl, dass meine Sprachkenntnisse und Freundschaften darunter leiden. Trotzdem möchte ich nichts bereuen! Ich versuche viel zu lernen und so viel wie möglich vom Austauschprogramm mitzunehmen, damit ich zufrieden nach Japan zurückkehren kann.


Dieser Artikel erschien in der Oktober-Ausgabe des JAPANDIGEST 2020 und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.

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