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Bosch: Fast 110 Jahre Beziehungen mit Japan

JAPANDIGEST
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Deutsche wie japanische Firmen spornen sich auf dem weltweiten Markt gegenseitig zur Weiterentwicklung an. Im Gespräch mit JAPANDIGEST berichtet Klaus Meder, Vorsitzender der Bosch-Gruppe in Japan, von den Vorteilen des Standorts für das Unternehmen.

Bosch Automotive Electronics
© Bosch

Bosch und Japan pflegen eine langjährige Partnerschaft und bereits 1911 nahm Geschäftsgründer Robert Bosch die Geschäftsbeziehungen mit dem fernöstlichen Land auf. Zunächst kooperierte Bosch mit einem Londoner Unternehmen, das sich bereits am Markt etabliert hatte, um Geschäftsbeziehungen zu knüpfen und die Bekanntheit in Japan zu steigern. Heute ist der japanische Standort in vielerlei Hinsicht bedeutsam für die Bosch Gruppe und ein Schlüsselmarkt in der Region Asien-Pazifik.

Herr Meder, was war der Grund, Bosch in Japan zu etablieren?

Klaus Meder: Japan war stets ein Markt mit rasch wachsenden Schlüsselbranchen. Noch 1960 produzierte das Land weniger als 0,5 Prozent der weltweit hergestellten Automobile, Ende der 1970er Jahre waren es fast 25 Prozent. Angesichts dieser rasanten Entwicklung stellte Bosch die Weichen für eine Präsenz als Kraftfahrzeugzulieferer vor Ort. Japanische Autohersteller kooperierten jedoch in der Regel mit langjährig vertrauten Zulieferern aus dem eigenen Land, weshalb Bosch erst gegenseitiges Vertrauen aufbauen musste. Daher wurde 1972 die Robert Bosch (Japan) Ltd. als Dachgesellschaft gegründet, ein Jahr darauf mit japanischen Partnern das Gemeinschaftsunternehmen Japan Electronic Control System Co. Ltd. (JECS), zur Fertigung elektronischer Benzineinspritzsysteme. Es folgten weitere Gemeinschaftsunternehmen wie beispielsweise 1984 Nippon APS Ltd. Zum einen gewann Bosch so durch die Partnerschaften mit verlässlichen Mitgliedern der japanischen Industrie an Vertrauenswürdigkeit. Auf der anderen Seite konnten auch japanische Unternehmen durch Lizenzen vom Bosch-Knowhow profitieren. Kapitalerhöhungen, Zukäufe und mehrere Organisationsentwicklungsstufen trugen dazu bei, in den letzten 20 Jahren eine Firmenstruktur zu prägen, die wir bis heute beibehalten.

Worin liegt das Potenzial Japans als Standort?

Meder:  Die Qualität der japanischen Fertigung, die Innovationskraft und Fortschrittlichkeit des Landes sowie die Mentalität der japanischen Mitarbeiter zählen zu den Vorteilen des Standortes Japan. Die Genauigkeit, Präzision und strukturierte Lebensweise sehen wir als Stärken unserer 6.600 japanischen Mitarbeiter. Nicht umsonst haben wir auch dank der besonders starken Fertigungskompetenz (monozukuri) in Japan eine der geringsten Fehlerquoten weltweit. Zudem ist die Innovationskraft in Japan sehr hoch. Das Land gehört unverändert in vielen Feldern zur Weltspitze, sei es in der Batterietechnik, in der Robotik, aber auch in der Nanotechnologie und den Materialwissenschaften. Diese hohe Kompetenz sehen wir auch bei den rund 1.400 Bosch-Ingenieuren, die wir in Japan aktuell im Bereich Forschung und Entwicklung beschäftigen.

Diese Effizienz und Innovation in Japan trägt nicht nur zum lokalen Erfolg, sondern auch zu unserer globalen Wettbewerbsfähigkeit bei. Viele in Japan entwickelte Technologien kommen auch über den Heimatmarkt hinaus zum Einsatz. Das vollständig in Japan entwickelte ABS für Motorräder wird zum Beispiel weltweit nachgefragt – Europa und Brasilien haben es bereits verpflichtend gemacht. Indien, Japan und Taiwan haben schon die entsprechenden Gesetze verabschiedet.

Erprobung eines Motorrad-ABS
Erprobung eines Motorrad-ABS 1988. © Bosch

Nicht zuletzt könnte man sogar sagen, dass die japanische Arbeitsweise für die gesamte Bosch-Gruppe in gewisser Weise ein Vorbild ist. Denn unser „Bosch Production System“ kommt in Bosch-Werken weltweit zum Einsatz. Es dient der ständigen Verbesserung von Qualität, Kosten und Liefererfüllung und basiert auf dem japanischen Modell von Toyota. [Das Toyota-Produktionssystem dient mit den Grundpfeilern Jidōka- (“intelligente Automation”) und Just-in-time-Prinzip der Steigerung der Produktionseffizienz unter Reduzierung jeglicher Verschwendung. Anm. d. Red.]

Welche Geschäftsbereiche funktionieren in Japan besonders gut?

Meder: Wir sind in Japan heute mit allen vier Bosch-Unternehmensbereichen vertreten: Mobility Solutions, Industrial Technology, Consumer Goods sowie Energy and Building Technology. Viele international tätige Motorradhersteller sind japanisch, weshalb wir 2015 den weltweiten Hauptsitz für unseren Produktbereich Two Wheeler and Power Sports in Yokohama angesiedelt haben – das erste Mal in der beinahe 135-jährigen Geschichte von Bosch wird damit eine Geschäftseinheit von außerhalb Deutschlands geleitet.

Und auch für das Geschäft mit Mobilitätslösungen ist der Standort Japan enorm wichtig, denn die japanischen Autohersteller haben weltweit einen globalen Marktanteil von 30 Prozent. Bosch ist eines der wenigen nicht-japanischen Unternehmen mit eigener Produktion im Land, das ist ein klarer Vorteil. Unsere zwölf japanischen Werke setzen immer wieder neue Maßstäbe bei Qualität und Liefertreue. Für unsere Kunden ist es wichtig, dass sie sich ein eigenes Bild von den sehr hohen Fertigungsstandards machen können. Das intensive Vertrauensverhältnis wäre ohne die starke Produktion im Land nicht gegeben. Zudem beliefern wir japanische Autohersteller nicht nur in Japan selbst, sondern sind weltweit in Kundennähe aufgestellt – zum Beispiel auch immer stärker in der Region Südostasien. Japan ist auch einer von weltweit drei Standorten für Entwicklungsarbeit im Bereich des Automatisierten Fahrens bei Bosch. Wie die Ingenieure in Deutschland und den USA ist auch unser Team in Japan mit automatisierten Erprobungsfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr unterwegs. Mit Linksverkehr und einem komplexen Verkehrsgeschehen liefert uns Japan für die Entwicklung wertvolle Erkenntnisse.

tomatensensor plantect
Projektleiter Suzuki Ryōsuke mit dem Bosch-Tomatensensor "Plantect". © Bosch

Welche Entwicklungen strebt Bosch in Japan in Zukunft an?

Meder: Neben dem Ausbau unserer Geschäfte mit japanischen Kunden und der laufenden Investition in die japanischen Standorte setzen wir unter anderem immer stärker auf das Geschäft mit IoT-Lösungen wie zum Beispiel im Bereich der intelligenten Landwirtschaft. Ein Beispiel ist das smarte System Plantect, das wir 2017 auf den Markt gebracht haben, das den Tomatenanbau in Treibhäusern verbessert. Die Lösung ist auf den lokalen asiatischen Markt zugeschnitten, da der Treibhausanbau in Japan wie in China und Südkorea besonders relevant ist. Plantect misst mittels Sensoren die Luftfeuchtigkeit, die Temperatur, den Kohlendioxidgehalt sowie die Sonneneinstrahlung. Diese Umgebungsparameter sind ausschlaggebend für die Entwicklung der Pflanzen und werden durch ein Gateway an einen Cloud-Server übertragen. Das System bezieht in die Datenauswertung auch andere landwirtschaftliche Parameter und die Wettervorhersage mit ein. Die Ergebnisse werden in einer App angezeigt. Die Lösung kann Infektionsrisiken analysieren und mit künstlicher Intelligenz den Einsatz von Pestiziden im Voraus planen. Landwirte können so den Verlust der Ernte signifikant verringern. Die Projektarbeit wird gemeinsam mit dem Bosch Artificial Intelligence Center (BCAI) durchgeführt. 2019 soll der Service um Erdbeeren und Gurken erweitert werden. Unser Ziel ist es, bis 2020 rund zehn Prozent der Treibhausbetriebe Japans zu beliefern.

Und in einem Bereich ist Japan für Bosch tatsächlich weltweit einzigartig: 2015 haben wir in unserer japanischen Firmenzentrale in Shibuya das öffentlich zugängliche „Café 1886 at Bosch“ eröffnet. Die Räumlichkeiten verbinden die Gemütlichkeit traditioneller Gastronomie mit dem angrenzenden modernen Showroom, der die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Firma Bosch unter dem Slogan ‚Technik fürs Leben‘ lebhaft illustriert. Bald wollen wir das Café auch als Kontaktadresse für Start-ups nutzen. Einmal pro Woche bieten wir an einem „Start-Up-Desk“ interessierten jungen Firmen die Möglichkeit, ohne Terminvereinbarung mit uns in persönlichen Kontakt zu treten. Wir wollen damit die einzigartige Lage mitten in der Tōkyōter Start-Up-Szene für uns noch besser nutzen.


Klaus Meder Bosch
Gesprächspartner: Klaus Meder (Bosch Corporation Japan) © Bosch

Der studierte Elektroingenieur Klaus Meder ist seit seinem Abschluss 1987 bei Bosch tätig. 2017 wurde Meder zum Präsidenten und stellvertretenden Generaldirektor der Bosch Corporation Japan ernannt.


Erfahren Sie mehr über die Erkenntnisse eines japanischen Unternehmens in Deutschland in unserem Artikel über die Firma Denso:

DensoDenso: Fortschritt durch internationalen AustauschDeutsche wie japanische Firmen spornen sich auf dem weltweiten Markt gegenseitig zur Weiterentwicklung an. Im Gespräch mit JAPANDIGEST beric...31.12.2018


Dieser Artikel wurde für die Oktober 2018-Ausgabe des JAPANDIGEST verfasst und für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.

Der zweite Teil des Artikels, über die Firma Denso, wird in den kommenden Wochen folgen.

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