Yokohama: Japans Zeuge der Weltgeschichte

Vanessa Aura
Vanessa Aura

Yokohama (横浜), einst ein unbedeutendes Fischerdorf, wurde 1859 zum Symbol einer neuen Ära: Mit der Eröffnung einer der ersten internationalen Häfen Japans wurde die Stadt zur Brücke zwischen Ost und West. Die Spuren sind bis heute in Architektur, Stadtbild und Kultur zu finden.

Die Nippon Maru in Yokohama. © Vanessa Aura

Yokohama liegt an der Bucht von Tōkyō in der Präfektur Kanagawa und ist mit rund 3,8 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Japans. Nur eine knappe halbe Stunde Zugfahrt von Tōkyō entfernt, bietet diese Stadt ein Bild, das überrascht: viktorianisch anmutende Villen, westliche Kirchen, englische Gärten – eingebettet in eine dynamische Hafenmetropole mit futuristischer Skyline.

Yokohama wurde nach der Unterzeichnung der Ansei-Verträge im Jahr 1859 zum Symbol des politischen und wirtschaftlichen Wandels. Der Hafen öffnete sich dem internationalen Handel, westliche Nationen wie England, Frankreich, die USA und Deutschland entsandten Vertreter, Händler und Missionare. Die Hafenstadt Yokohama war von Beginn an eine offene Bühne für kulturelle Begegnung – mit weitreichenden Folgen für ganz Japan.

Tokio Marine & Fire Insurance Company in Yokohama (Bashamichi Ohtsu Building). © Vanessa Aura

Der „Bluff“ – Zeugnis westlicher Präsenz

Besonders deutlich zeigt sich der westliche Einfluss im heutigen Yamate-Viertel, auch „The Bluff“ genannt. Hier, auf einer Anhöhe über dem Hafen, entstanden elegante Wohnhäuser, Schulen und Kirchen im westlichen Stil. Noch heute laden zahlreiche historische Gebäude – wie das Diplomat’s House oder die Ehrismann Residence – zu einem Spaziergang durch vergangene Zeiten ein.

Bluff No. 234. © Vanessa Aura

Diese sogenannten Yamate Western Houses entstanden zwischen der Meiji- und Taishō-Zeit (spätes 19. bis frühes 20. Jahrhundert) als Wohn- und Repräsentationsbauten für ausländische Diplomaten, Geschäftsleute und ihre Familien. Architektur und Innenausstattung spiegeln dabei den westlichen Zeitgeist wider – von Jugendstil-Fenstern bis hin zu englischen Rosengärten. Auch deutsche Einflüsse waren bemerkenswert: Deutsche Apotheker eröffneten erste Drogerien und Bierbrauer gründeten lokale Brauereien; noch lange vor dem heutigen Craft-Beer-Trend. Viele dieser Häuser sind täglich für die Öffentlichkeit zugänglich, oft kostenlos (z.B. die Ehrismann Residence sowie Berrick Hall) oder gegen eine geringe Gebühr von maximal 500 Yen (3,06 Euro).

Berick Hall. © Vanessa Aura

Der Hafen heute – Spaziergänge durch Geschichte, Ausblicke und ein persönlicher Tipp

Ein Spaziergang entlang der Uferpromenade im Hafen von Yokohama ist wie eine Reise durch Zeit und Raum – von historischen Backsteingebäuden bis hin zu futuristischen Wahrzeichen. Besonders empfehlenswert ist ein Abstecher zum Ōsanbashi Pier: Die elegante, wellenförmige Holzplattform des internationalen Passagierterminals bietet nicht nur schöne Ausblicke auf das Meer und die Skyline, sondern ist auch ein beliebter Ort für Konzerte, Picknicks und abendliche Spaziergänge. Gleich in der Nähe lädt der Yamashita Park mit seiner gepflegten Promenade, alten Schiffsskulpturen und Blick auf das historische Schiff Hikawa Maru zu einem entspannten Zwischenstopp ein, der an die Geschichte Japans als Seehandelsnation erinnert.

Yokohama: Bedeutsame und prächtige HafenstadtJapans zweitgrößte Stadt Yokohama ist ein beliebtes Tagesausflugsziel, wenn man in Tōkyō ist. Warum liegt auf der Hand: Neben unzähligen Ein...18.06.2020

Ein besonderer persönlicher Tipp ist die imposante Nippon Maru, ein historisches Segelschulschiff aus dem Jahr 1930, das heute als Museumsschiff direkt am Nippon Maru Memorial Park vor Anker liegt. Für nur 800 Yen Eintritt für Erwachsene (ermäßigt: 600 Yen für Seniorinnen ab 65 Jahren, 300 Yen für Schülerinnen) erhält man Zugang zu den original erhaltenen Innenräumen – von der Kapitänskajüte bis zur Mannschaftsmesse – und bekommt einen authentischen Einblick in den Alltag der japanischen Seefahrt. In ihrer Bauweise orientierte sich die Nippon Maru an westlichen Vorbildern, insbesondere britischen Segelschiffen des späten 19. Jahrhunderts, was den historischen Westbezug unterstreicht. Der elegante Viermaster symbolisiert den Aufbruch Japans in die maritime Moderne – ein eindrucksvolles Beispiel für das Zusammenspiel von westlicher Technik und japanischer Handwerkskunst.

Die Nippon Maru bei Nacht. © Vanessa Aura

Sehenswerte Erinnerungsorte – Wo Geschichte lebendig bleibt

Wer auf den Spuren der Vergangenheit wandeln möchte, findet in Yokohama zahlreiche authentische Orte. Im Yokohama Archives of History können viele Dokumente, Videos und Fotografien über Japans Öffnung zur Welt betrachtet werden. Der Ausländerfriedhof im Yamate-Viertel erzählt mit über 4.000 Gräbern von Schicksalen aus aller Welt, darunter auch von Deutschen. In Chinatown, einem der größten chinesischen Viertel Ostasiens, spiegelt sich das internationale Erbe bis heute im Stadtbild und kulinarischen Angebot wider. Auch das historische Red Brick Warehouse, ein ehemaliges Zollgebäude im deutschen Stil und beliebtes Kulturzentrum, ist interessant – nicht zuletzt wegen seines jährlich stattfindenden Oktoberfests und des stimmungsvollen Weihnachtsmarkts.

Sacred Heart Cathedral. © Vanessa Aura
Yokohama Chinatown. © Vanessa Aura

Innovation trifft auf Tradition – Das moderne Gesicht Yokohamas

Moderne Sehenswürdigkeiten wie das futuristische Viertel Minato Mirai 21 („Hafen der Zukunft“) mit seiner eindrucksvollen Skyline, dem ikonischen Riesenrad Cosmo Clock 21 und zahlreichen Einkaufszentren zeigen die dynamische Seite der Stadt. Ein besonderes Highlight ist das interaktive Cup Noodles Museum, in dem Besucher ihre eigene Instant-Ramen-Suppe gestalten können. Wer nach weiteren Erlebnissen sucht, wird im großen Einkaufszentrum Porta fündig, das neben zahlreichen Läden auch vielfältige Unterhaltungsmöglichkeiten bietet. Alles in allem hält ein Tag in Yokohama für jeden Geschmack etwas bereit – von modernen Stadtlandschaften mit futuristischem Flair bis hin zu nostalgischen Vierteln wie Hakuraku, das mit seinem Shōwa-Charme und ruhigen Gassen zum Entdecken einlädt.

Yokohama Minato Mirai. © Vanessa Aura

Hakuraku – Verstecktes Juwel abseits der Touristenpfade

Nur wenige Bahnstationen nördlich von Yokohamas Zentrum – nur etwa fünf Minuten mit der Tōyoko-Linie vom Hauptbahnhof entfernt – liegt Hakuraku (白楽), ein charmantes Viertel im Bezirk Kanagawa, das bei Einheimischen und Kennern gleichermaßen beliebt ist. Abseits der glitzernden Hochhäuser von Minato Mirai entfaltet sich hier das entspannte Alltagsleben – geprägt von kleinen Cafés, liebevoll geführten Restaurants und traditionellen Läden, die oft seit Generationen in Familienhand sind. Hakuraku ist besonders für seine gemütliche Atmosphäre bekannt, in der sich die moderne Stadtkultur harmonisch mit dem alten Yokohama verbindet. In den Seitenstraßen rund um die Hakuraku Station der Tōyoko-Linie finden sich zahlreiche kulinarische Entdeckungen – von hippen Coffeeshops bis hin zu klassischer japanischer Hausmannskost.

Enokitei. © Vanessa Aura

Ein persönlicher Geheimtipp ist der Kasanogi Inari Jinja (笠䅣稲荷神社), ein kleiner, ruhiger Schrein mit leuchtend roten Torii und steinernen Füchsen, die die Reisgöttin Inari beschützen. Besonders beliebt bei Besucherinnen und Spaziergängern ist der freundliche Shiba Inu, der regelmäßig vor dem Schrein liegt und sich bereitwillig streicheln lässt – ein Moment der Nähe und Ruhe mitten im urbanen Alltag. Wer Yokohama auf eine intime, alltagsnahe Weise erleben möchte, findet in Hakuraku ein Stück authentisches Japan – fernab der Touristenströme, aber voller Atmosphäre, Herzlichkeit und überraschender Begegnungen.

Der Kasanogi Inari Jinja in Hakuraku. © Vanessa Aura

Stichwörter

Kommentare

Diese Woche meistgelesen

Top Stories

Autoren gesucht

Lesen Sie hier, wie Sie Teil unseres Teams werden!