Burg Ōsaka: Zeitzeuge des stetigen Wiederaufbaus

von Nils Gärtner
©kazu1145 / photo-ac

Die Burg Ōsaka ist Zeitzeuge zweier besonderer Epochen. So steht das Bauwerk offensichtlich für den Prunk des japanischen Mittelalters, jedoch verstecken sich hinter dieser Fassade viel mehr historische Ereignisse als man zunächst annimmt. Gehen Sie mit uns auf Entdeckungsreise.

Ōsaka-jō, wie die Burg Ōsaka im Japanischen genannt wird, thront inmitten des Stadtkerns der geschäftigen Metropole. Heute vor allem als Museum und touristische Sehenswürdigkeit bekannt, durchlebte die Festungsanlage im Laufe der Jahrhunderte jedoch zahlreiche gesellschaftliche Wandel und Wiederaufbauten. Die Burg ist damit ein Stück greifbare Geschichte und begehrtes Fotomotiv für alle, die mehr über die sengoku jidai (Zeit der streitenden Reiche in Japan) erfahren möchten. Ein vom Museum nicht behandelter Teil der Burggeschichte ist jedoch deren Rolle im imperialen Japan. Aber beginnen wir zunächst am Anfang.

Entstehung der Burg Ōsaka

Auf Geheiß des zweiten Reichseinigers Japans, Toyotomi Hideyoshi, entstanden 1583 auf den Ruinen eines ehemaligen Tempels die ersten Gebäude der Burg. Als Vorbild diente die Burg Azuchi, der ehemalige Hauptsitz Oda Nobunagas. Was als Hommage an den ersten Reichseiniger erdacht worden war, diente nun der Festigung von Hideyoshis Ansehen. Dieser sorgte dafür, dass seine Burg die von Nobunaga an Prunk weitaus übertrumpfte. Die noch zu seinen Lebzeiten fertiggestellte Burg sollte jedoch nicht lange im Besitz Hideyoshis bleiben und er verstarb nur ein Jahr nach ihrer Fertigstellung.

Die Burg ging an seinen Sohn Hideyori über, welcher diese 1599 bezog. Ursprünglich waren es Hideyoshis Pläne, Hideyori zum de facto Herrscher Japans zu machen. Dies wurde jedoch durch Tokugawa Ieyasu, dem dritten Reichseiniger im Bunde, vereitelt. Nachdem Ieyasu die Autorität des jungen Hideyori untergrub und sich 1603 selbst zum Shōgun ernennen ließ, revoltierte dieser und verschanzte sich in seinem Domizil, der Burg Ōsaka. Nach einer halbjährigen Belagerung gelang es Ieyasu schließlich, die Festung, die zuvor als uneinnehmbar gegolten hatte, im Sommer 1615 zu stürmen. Im Laufe der Kampfhandlungen brannte die Burg komplett nieder.

Nach der Bezwingung Hideyoris befahl Ieyasu den Wiederaufbau von Ōsaka-jō, welcher im Jahr 1629 vollendet wurde. Doch keine 40 Jahre später wurde die Burg ein zweites Mal zerstört: Während eines Unwetters schlug ein Blitz in den Hauptturm der Burg ein und sie fiel erneut einer Feuersbrunst zum Opfer.

Wiederaufbau nach über 300 Jahren

Während der Meiji-Restauration in den 1860er Jahren wurden die verbliebenen Gebäude der Festung durch Kämpfe zwischen den imperialen und shōgunalen Truppen weitestgehend zerstört.

In den Folgejahren wurden die sich immer noch imposant über die Stadt erhebenden Bollwerke der Burg und deren umliegende Gebiete für militärische Zwecke benutzt. Diese dienten nun als Stützpunkt und Arsenal der vierten Division der kaiserlichen Armee, welche sich die günstige wirtschaftliche Position Ōsakas zu Nutze machte und so bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die größte Waffenfabrik Asiens auf dem umliegenden Burgareal betrieb. Allein das Arsenal beschäftigte bis zur Kapitulation Japans 1945 noch rund 66.000 Arbeiter. Und das trotz landesweiter Mängel an Arbeitskraft und Material.

Bereits in den 1920er Jahren entwickelte sich das Bollwerk zu einer touristischen Attraktion und das japanische Militär ließ tägliche Führungen zu. Zum 300. Jahrestag des Falls der Burg wurde Hideyoshi posthum mit dem höchsten Rang des Hofes ausgezeichnet (kojū ichi-i, „Diener ersten Ranges“), da er zu seinen Lebzeiten als Antagonist des späteren Shōguns Ieyasu auftrat. Letzterer wurde von den Autoritäten des imperialen Japans verachtet, begründete dieser schließlich die bis zur Meiji-Restauration andauernde Marginalisierung des Kaisers durch das Tokugawa-Shōgunat. Ferner hatte das japanische Militär ein besonderes Interesse daran, Hideyoshis expansionistische Heldentaten mit dem eigenen Prestige zu verbinden. Hideyoshi wurde so als wahrer Reichseiniger Japans gefeiert und durch die geschichtlichen Ereignisse und staatliche Propaganda fest mit der Identität Ōsakas verflochten.

Während der „Großen Ausstellung Ōsakas“ 1925, erlaubte das Militär einen kruden Nachbau des Hauptturms der Burg. Auf diese Weise nutzte die Armee das geschichtliche Interesse der Bevölkerung, um dieser militärische Propaganda näher zu bringen – mit Erfolg. Rund 700.000 Besucher begutachteten den Turmnachbau und das zur Schau gestellte militärische Equipment während der mehrtägigen Ausstellung.

Trotz dieser äußerlichen Machtdemonstration der kaiserlichen Armee war es um die finanzielle Lage der Streitkräfte schlecht bestellt. Daher wurde infolge langer Verhandlungen mit den Befürwortern des Burgwiederaufbaus schließlich eine Einigung erzielt: Das Militär räumte das Bollwerk und Teile des umliegenden Burgareals, um Platz für eine Rekonstruktion der Festung zu schaffen. Als Entschädigung musste die Stadt dem Militär ein neues Administrationsgebäude errichten.

In weniger als sechs Monaten schaffte es die Stadtverwaltung 1928, mit Hilfe der Bevölkerung Ōsakas, rund 1,5 Mio. Yen an Spenden zu sammeln und die Bauarbeiten begannen. Nach der fertigen Rekonstruktion der Burg 1931 diente das umliegende Gelände weiterhin als Arsenal der japanischen Streitkräfte, was dazu führte, dass alliierte Bombardements der Waffenfabriken zu Ende des Zweiten Weltkriegs für eine erneute Zerstörung der Burg sorgten. Erst im Jahr 1997 wurde der heute als Museum genutzte Hauptturm der Burg wiedererrichtet.

Share Tweet Email

Stichwörter

ADVERTISEMENT

Diese Woche meist gelesen