Transitive und intransitive Verben im Japanischen

von Aya Puster
(c) ma-chan / photo-ac

Jeder Japanischlernende, der es sich zur Aufgabe macht, die transitiven und intransitiven Verbpaare einzuprägen, wird schnell feststellen, dass es weitaus mehr Ausnahmen gibt, als man urprünglich vermuten würde. Unser Artikel stellt die wichtigsten Unterschiede beider Gruppen für Sie heraus.

Was sind eigentlich transitive und intransitive Verben? Im Japanischunterricht wird der Unterschied so erklärt, dass die Verben, die eines direkten Objekts (Nomen + o) bedürfen und in Passivform gesetzt werden können, transitive Verben seien, während die sonstigen Verben intransitive Verben sind:

Sensei ga jugyō o hajimeru. Der Lehrer beginnt den Unterricht. (Transitiv)

Jugyō ga hajimaru. Der Unterricht beginnt. (Intransitiv)

Die obige Erklärung, welche ursprünglich während der Meiji-Ära von der englischen Grammatik abgeleitet wurde, schien damals zunächst ausreichend gewesen zu sein. Durch die identifizierten Endungen -eru | -aru, -eru | –u und -su | -eru/-aru wirkten die Verbpaare klar klassifizierbar und wurden dementsprechend folgerndermaßen gegeneinander gestellt:

-eru | -aru
…o Transitiv …ga Intranstiv
sammeln atsum-eru atsum-aru sich versammeln
entscheiden kim-eru kim-aru entschieden werden
schließen shim-eru shim-aru sich schließen
erwärmen atatam-eru atatam-aru warm werden
finden mitsuk-eru mitsuk-aru gefunden werden
ändern ka-eru kaw-aru sich ändern
retten tasuk-eru tasuk-aru gerettet werden

 

-eru | –u
…o Transitiv …ga Intranstiv
öffnen ak-eru ak-u sich öffnen
(Licht) anmachen tsuk-eru tsuk-u (Licht) angehen

 

-su | -eru/-aru
…o Transitiv …ga Intranstiv
schmelzen toka-su tok-eru sich schmelzen
kühlen hiya-su hi-eru sich kühlen
löschen ke-su ki-eru sich löschen
zerstören kowa-su kowar-eru sich zerstören
drehen mawa-su maw-aru sich drehen

 

Erst später stellte man fest, dass es im Japanischen auch Verben gibt, die nicht in dieses Muster passen und unintuitiv zu diesem erscheinen:

…o Transitiv …ga Intranstiv
zerbrechen wa-ru war-eru sich zerbrechen
stellen tat-eru tatsu sich auf-/hinstellen
erfreuen yorokoba-su yoroko-bu sich freuen
hineintun ire-ru hai-ru hineingehen

 

 

Entsprechungen in europäischen Sprachen

Ein Verb, das eines direkten Objekts bedarf, kann im Japanischen intransitiv sein. In den Grammatiken vieler europäischer Sprachen, wie etwa im Deutschen, können transitive Verben ins Passiv gesetzt werden, indem man das Subjekt und das Objekt vertauscht. Kanaya Takehiro führt hierzu in seinem Buch „Nihongo ni shugo wa iranai“ (Japanisch braucht kein Subjekt) u.a. folgendes Beispiele an:

Kamisama ga watashi ni akachan o sazukeru. Gott schenkt mir ein Baby. (Transitiv)

Akachan ga watashi ni sazukerareru. Das Baby wird mir geschenkt. (Passivform -(r)areru wird an die Basis des transitiven Verbs sazukeru angehangen → sazukerareru)

Watashi ga kamisama kara akachan o sazukaru. Mir wird von Gott ein Baby geschenkt. (Intransitiv)

Der letzte Satz benutzt ein intransitives Verb und kann auf diese Weise den gleichen Inhalt in geänderter Form ausdrücken.

In den meisten Fällen gibt es also für japanische Verben drei Variationen: das transitive Verb, die Passivform desselben und ein intransitives Verb:

  Transitive Verben Passivform der transitiven Verben Intransitive Verben des Pendants
stellen (Watashi ga) kanban o tateru. Kanban ga taterareru. Kanban ga tatsu.
Ich stelle ein Schild auf. Ein Schild wird aufgestellt. Ein Schild steht.
retten (Shōbōshi ga) watashi o tasukeru. Watashi ga tasukerareru. Watashi ga tasukaru.
Ein Feuerwehrmann rettet mich. Ich werde gerettet. Man rettet mich.

Was ist der Unterschied zwischen der Passivform und der Intransitivform? Diesbezüglich ist Kanaya der gleichen Ansicht wie Ōtsuki Fumihiko, eines Linguisten aus dem im 19. Jahrhundert, welcher behauptet, dass japanische transitive Verben eine Handlung gegen Gegenstände sind und die intransitiven Verben natürliche, selbstlaufende Geschehnisse darstellen. Das Verb „tasukaru“ beispielsweise, das wörtlich „sich retten“ heißt, deutet im Japanischen nicht auf eine eigenständige Selbsthilfeaktion hin, sondern auf einen zufälligen, glücklichen Umstand, der zur Rettung führt. Daher wird es fast immer mit „gerettet werden“ übersetzt.

Generell ist also so, dass wenn das Passiv in einem japanischen Satz benutzt wird, immer die Implikation eines Ausführenden mitschwingt:

Doa ga kowasareru. Die Tür wird zerstört. (Passiv)

Doa ga kowareru. Die Tür geht kaputt. (Intransitiv)

Benutzt man das Intransitiv, wird das Verb ohne ersichtlichen Agenten aufgefasst; die Aktion läuft von alleine ab.

Diese Nuance der japanischen intransitiven Verben, jegliche Selbstbeteiligung zu verneinen, sieht man an folgenden Beispielen:

„Ich habe für dich Tee gekocht!“ mag für deutsche Ohren vielleicht sehr liebevoll klingen, übersetzt man dies jedoch wörtlich ins Japanische („Watashi ga anata no tame ni ocha o iremashita!“) klingt das Resultat eher arrogant und aufdringlich: „Ich musste mir extra für dich die Mühe machen Tee zu kochen.“ Daher wählt man im Japanischen lieber die intransitive Version eines zufälligen, natürlichen Vorgangs wie „Ocha ga hairimashita.“ Dieser Satz bedeutet wörtlich übersetzt etwa „Der Tee ist ohne jegliches Zutun meinerseits ins heiße Wasser gelangt.“

Bei einem Gespräch mit Ihrem japanischen Gastgeber rutscht Ihnen versehentlich ein Glas aus der Hand, welches auf dem Boden zerbricht. Da Sie dies nicht beabsichtigt hatten, sagen Sie „Tut mir leid, dass das Glas zerbrochen ist.“ – „Gomennasai. Gurasu ga waremashita.“ Die Aussage klingt in japanischen Ohren etwa wie „Sorry, das Glas ging selber kaputt, aber ich habe damit nichts zu tun.“ Daher sollte man in einer solchen Situation anstelle des Intransitiv, die transitive Verbform verwenden: „Gomennasai. Gurasu o warimasita.“ Noch besser ist es hier den zusätzlichen Bedauernsausdruck „…te shimaimashita anzuwenden. Dies veräußert eine gewisse Mitschuld am Zerbrechen und lässt die Entschuldigung höflich und aufrichtig klingen: „Gomennasai. Gurasu o watte shimaimashita.“ – „Tut mir leid, dass ich das Glas unwiederruflich kaputt gemacht habe.“ Dabei braucht man auch keine Angst vor einer Schadensersatzklage zu haben, da in Japan niemand weiter bestraft wird, der seine Schuld bekennt und sich dafür entschuldigt. Jedenfalls scheint dies insbesondere der Fall bei CEOs und Politikern zu sein…

In diesem Sinne erscheint Kanayas Ansicht, dass die japanischen transitiven und intransitiven Verben anders als in europäischen Sprachen definiert werden sollten, als plausibel.

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