Japan und Deutschland: zwei Gesellschaften in Bewegung

von Sina Arauner

Die Überalterung, die Japans Gesellschaft plagt, ist durchaus auch in Deutschland ein wachsendes Problem, wenn auch (noch) nicht so ausgeprägt. Werfen wir einen Blick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen in den beiden Ländern im Vergleich.

Der demografische Wandel – in Japan etwas weiter fortgeschritten als in Deutschland – ist eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft. Von ihm ist nicht nur das gesellschaftliche Leben, sondern auch die Wirtschaft stark betroffen. Aus diesem Grund ist die Zusammenarbeit von Bevölkerung, Politik und Gewerbe gefordert.

Daten © Statistisches Bundesamt, Statistics Bureau of Japan, Eurostat, Weltbank

Ein Blick auf den Altersabhängigkeitsquotienten (wirtschaftlich abhängige Personen unter 15 bzw. über 65 Jahre) bestätigt die Brisanz: 1995 lag der Quotient in Japan bei 43,97 % (Deutschland: 46,5 %). 2015 betrug er bereits 63,95 % (Deutschland: 52,06 %), Tendenz steigend. Auf 100 Erwerbstätige kommen also immer mehr abhängige Personen. Dabei spielen unter anderem Faktoren wie der Geburtenrückgang und die höhere Lebenserwartung eine Rolle. In Japan verschiebt sich außerdem das Arbeitszeitenmodell weg von lebenslanger Anstellung und hin zu Teilzeit- oder Freelance-Beschäftigungen (bei schlechterer Bezahlung und teilweise sozialen Stigmata), was das Risiko der Altersarmut erhöht.

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Trotz sinkender Arbeitslosenrate (2015: 3,33 % in Japan und 4,62 % in Deutschland) ist der Fachkräftemangel in beiden Ländern ein zunehmendes Problem. Dass internationale Migration dieses teilweise lösen kann, hat das historisch isolierte Japan inzwischen erkannt und verfolgt in den letzten Jahren aktiv die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte. 2015 betrug die Zahl dieser 907.896, in Deutschland waren es 2.829.000. Doch in keinem der beiden Länder reicht der Anteil ausländischer Arbeitskräfte, um den stetigen Rückgang der Erwerbsbevölkerung aufzuhalten. In Japan ist der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung zwischen 1995 und 2015 von 63,9 % auf 60 % gesunken. In Deutschland ist der Anteil im gleichen Zeitraum von 46,2 % auf 54,6 % gestiegen. Langfristig wird jedoch auch hier nach dem Ausscheiden der Babyboomer aus der Erwerbsbevölkerung ein Absinken der Zahlen prognostiziert.

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Die japanische Regierung strebt derweil Initiativen an, um etwa den Anteil erwerbstätiger Frauen zu erhöhen und die Zahl der Geburten künftig anzukurbeln. Auch in Deutschland rückt die Familie als Dreh- und Angelpunkt des demografischen Wandels in den Vordergrund und die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie wird mehr und mehr zu einer Priorität bei Arbeitgebern. Ob die Maßnahmen aus Wirtschaft und Politik ausreichen werden und den Gesellschaftswandel einholen können, bleibt abzuwarten.


Dieser Artikel erschien in der Oktober-Ausgabe des JAPANDIGEST 2019 und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.

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