Für die Paralympischen Spiele zurück in die Heimat: Rollstuhlbasketballer Kōzai Hiroaki

von Kei Okishima
Kōzai Hiroaki während des WBF Champions League Vorrundenspiels (Februar 2019)

Mit 12 Jahren ist Kōzai Hiroaki das erste Mal dem Rollstuhlbasketball begegnet, bis 2019 spielte er in Deutschland. Wir haben mit ihm über seinen bisherigen Lebensweg und über die Tōkyō Paralympics gesprochen.

Seit wann interessieren Sie sich für Basketball?

Als ich etwa in der 6. Klasse war, besuchte ich erstmals mit meinem Vater einen Rollstuhlbasketball-Kurs. Die Wettbewerbsrollstühle haben vergleichsweise kleine Räder, wodurch man sich ungehindert bewegen kann. Anfangs hat mir das einfach unfassbar viel Spaß gemacht. Der Kurs wurde von den Chiba Hawks ausgerichtet und ich hatte das Gefühl, die Spieler sprühten nur so vor Lebensenergie. Sie fragten mich, ob ich es nicht ausprobieren wolle und ich trat dem Team bei.

Warum sind Sie zum Studium in die USA gegangen?

Als Mitglied der Chiba Hawks nahm ich an einem Trainingscamp mit Mike Frogley, zu dem Zeitpunkt Trainer an der University of Illinois, teil. Er erzählte mir von der College-Liga in Amerika und seiner Mannschaft und fragte, ob ich denn nicht als Student zu ihnen wolle. Damals war ich erst 13 und die Gefühle mochten nicht so recht aus mir herauskommen, aber er kontaktierte mich weiterhin regelmäßig.

In der Oberschule musste ich mich dann entscheiden, ob ich ein Auslandsstudium machen möchte. Der heutige Trainer der Nationalmannschaft der Männer, Oikawa Shimpei, war damals bei den Chiba Hawks und ich bat ihn um Rat. Durch seine Fragen wie „Warum Amerika?“ und „Warum nicht Japan?“ fand ich meine eigene Stimme und meine Gefühle festigten sich. Als Spieler und als Mensch reifte ich und traf den Entschluss, in Amerika zu lernen und zukünftig in der japanischen Nationalmannschaft zu spielen.

Wie sah die Realität in den USA aus?

Anfangs sprach ich kein Englisch und lernte an einem College der University of Illinois. Ich trainierte mit dem Team der Universität, war aber kein reguläres Mitglied. Ich durfte nicht an Turnieren teilnehmen und war oft frustriert. Nach 2,5 Jahren wurde ich mit Müh und Not an der University of Illinois aufgenommen. Es gab strenge Regeln und ich musste entsprechende Leistungen erbringen, um an den Spielen des Clubs teilnehmen zu dürfen. Also habe ich aus Leibeskräften gelernt und trainiert. Mit meinem Abschluss hatte ich so viel wie nie zuvor in meinem Leben erreicht. Während meiner Studienzeit gab es viele freudige Momente, wie den Sieg der nationalen Meisterschaft. Doch am meisten Selbstbewusstsein gab mir das Erlangen des Abschlusses. Man erreicht sein Ziel nur, wenn man immer weiter macht.

Sie wurden zwei Jahre in Folge zum MVP der amerikanischen nationalen Universitätsliga gekürt und führten Ihr Team als Mannschaftskapitän an. Warum sind Sie nach Ihrem Abschluss nach Deutschland gegangen?

Zunächst bin ich ja in die USA gegangen, da es dort eine Universitätsliga gibt. Ich hatte aber keine Grundlage, im Anschluss als Profi-Basketballer ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu werden. In den USA müssen Nationalspieler regulär arbeiten und nebenher trainieren. Um als Profi den Lebensunterhalt zu verdienen, ist Europa das passendere Pflaster. Über Kontakte konnte ich einen Vertrag in Hamburg abschließen.

© Michael Schepp Imago PA Images

Wie unterscheiden sich die Organisationen in Amerika, Deutschland und Japan?

In Japan gibt es Vereinsmannschaften, aber keine Junioren-Teams. Wenn man etwa als 13-Jähriger einem Verein beitritt, trainiert man direkt mit den Erwachsenen. Natürlich hat es Vorteile, gemeinsam mit Spielern eines höheren Niveaus zu trainieren, aber es fehlt der Ansporn, den man unter Gleichaltrigen hat. In Amerika gibt es genau dies; man spielt mit Leuten im gleichen Alter und bildet Teams. Obwohl nicht so zahlreich wie in Amerika, gibt es auch in Deutschland jede Menge regionale und lokale Vereine sowie Jugendmannschaften. In Hamburg fand ich es toll, dass wir in Kooperation mit einer Klinik für Betriebsunfälle standen. Wenn sich jemand durch einen Unfall oder eine Krankheit eine Rückenmarksverletzung zuzog, war das Basketballtraining Teil der Rehabilitation. Manche machten sogar weiter damit, nachdem sie die Klinik verlassen hatten. Als Reha oder um soziale Kontakte zu knüpfen, als Sportart hat der Rollstuhlbasketball viel zu bieten. Es wundert mich nicht, dass die Zahl der Spieler nicht zurückgeht.

Ich mag nicht mehr verlieren, deshalb setze ich auf die Unterstützung der japanischen Bevölkerung!

Weshalb sind Sie nach Japan zurückgekehrt?

Ich bin zur Vorbereitung auf die Paralympischen Spiele in Tōkyō dieses Jahr zurückgekommen, um mich noch weiter zu entwickeln. Japans Basketball setzt aktuell auf Geschwindigkeit und Zusammenarbeit, daher musste mein Körper noch stärker und belastbarer werden. Ich war auch bei den Paralympischen Spielen in Beijing, London und Rio de Janeiro am Start – besonders dort war das Ergebnis frustrierend. Ich hatte das Gefühl, ich konnte meine eigenen Emotionen nicht kontrollieren. Wenn man ihn richtig handhabt, kann man auch Ärger in positive Energie umwandeln. Mir fehlte damals die Stärke, dies umzusetzen. Jetzt habe ich einen Trainer, der mich auch geistig stärkt.

Was denken Sie über die Tōkyō Paralympics?

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass mein Land zu meiner Lebzeit die Spiele ausrichtet, ich als Athlet teilnehme und die Chance habe, erstmals eine Medaille zu erlangen? Ich bin wirklich glücklich. Ich mag nicht mehr verlieren, deshalb setze ich auf die Unterstützung der japanischen Bevölkerung!
Ich hoffe außerdem, dass die Diversität, die ich in Amerika und Deutschland erlebt habe, auch in Japan wahrgenommen wird, wenn viele Zuschauer und Athleten aus aller Welt für die Spiele anreisen, und auch Japan sich ändern wird.


Profil: Kōzai Hiroaki


Dieser Artikel erschien in der Januar-Ausgabe des JAPANDIGEST 2020 und wurde für die Veröffentlichung auf der Website nachbearbeitet.

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