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Wo sich Ausländer und Japaner trafen: Historische Insel Dejima

Sina Arauner
Sina Arauner

In der Edo-Zeit war es Ausländern über 200 Jahre lang fast unmöglich nach Japan einzureisen. Eine Ausnahme bildete Dejima: Die künstliche, vor der Küste Nagasakis aufgeschüttete Insel war während der Edo-Zeit Handelsposten und Ort des Austauschs zwischen Japan und Europa.

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Modell der ehemaligen Insel Dejima - heute ist diese mit der Küste Nagasakis verbunden. (c) Sébastien Bertrand / flickr CC BY 2.0

Die japanische Außenpolitik der Edo-Zeit war von der Abschottung Japans geprägt. Über 200 Jahre lang galt für Ausländer bis 1854 generelles Einreiseverbot, um die Verbreitung von ausländischem Gedankengut und Missionierungs-Aktivitäten einzudämmen.

Nur auf Dejima, einer künstlichen Insel im Hafen von Nagasaki, war bis zur Öffnung Japans 1854 der Kontakt zwischen Japanern und Ausländern möglich. Besonders holländische und chinesische Händler waren auf Dejima aktiv. Auch der deutsche Arzt Philipp Franz von Siebold wirkte hier ab 1823.

Dejima als Handelsposten der Niederländischen Ostindien-Kompanie

Nach der Verbannung des Christentums in Japan 1614 verstärkte das regierende Tokugawa-Shogunat mehr und mehr die Kontrolle über missionarische Aktivitäten der Portugiesen und die Verfolgung von bekennenden Christen.

Holzdruck des Lageplans von Dejima, mit einer Brücke mit Nagasaki verbunden. Von Toshimaya Bunjiemon.

1636 wurde die Insel Dejima errichtet, wohin alle bisher frei in Nagasaki lebenden Portugiesen umgesiedelt werden sollten. Finanziert wurde das Projekt von den 25 reichsten Händlern Nagasakis. Als 1639 alle Portugiesen des Landes verwiesen wurden, musste ein neuer Zweck für die jüngst errichtete Insel Dejima gefunden werden.

Die Niederländische Ostindien-Kompanie, die bereits 1609 eine Erlaubnis zum Handel und zum Errichten einer Fabrik in Hirado durch das Shogunat erhalten hatte, verlagerte ihren Handelsposten und die Fabrik nach Dejima.

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Das ehemalige protestantische Seminar auf Dejima birgt inzwischen Ausstellungen zu seiner Vergangenheit. (c) Tzuhsun Hsu / flickr CC BY-SA 2.0

Leben auf Dejima

Bis zum 18. Jahrhundert waren alle Bewohner Dejimas Angestellte der Niederländischen Ostindien-Kompanie. Nach der Abfahrt von Schiffen blieben etwa 15 Personen, einschließlich des jeweilgen Leiters der Handelsstation, auf Dejima und verbrachten dort ihren Alltag. Insgesamt hatte Dejima 163 Leiter, die jedes Jahr einmal nach Edo reisten, um dem Shogun Bericht zu erstatten.

Die Beaufsichtigung Dejimas war der Stadtregierung Nagasakis unterstellt, die mithilfe von Dolmetschern und Stadt-Ältesten die Verwaltung Dejimas übernahmen. So fand trotz des Einreiseverbots für Ausländer ein Austausch zwischen niederländischen Händlern und Japanern statt.

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Ein Einblick in ein restauriertes Dejima-Esszimmer. (c) Hans Suter / flickr CC BY 2.0

So etwa luden die Bewohner Dejimas die Dolmetscher und Stadtbeamten am Neujahrstag zu einem traditionellen niederländischen Mahl ein. Es heißt, dass die japanischen Gäste Portionen dieser Mahlzeit in Papierservietten einwickelten, um diese ungewöhnliche Küche auch mit ihren Familien zu teilen.

Tor zur Moderne: Internationaler Austausch durch Dejima

Mit dem Umzug der Niederländischen Ostindien-Kompanie von Hirado nach Dejima ernteten auch die japanischen Übersetzer und Dolmetscher mehr Anerkennung und wurden von der japanischen Regierung in den Beamtenstand Nagasakis erhoben.

Auf drei Ebenen arbeitend – leitender Dolmetscher, Assistenzdolmetscher und studentischer Dolmetscher – richteten sie auf Dejima eine Zentrale ein und arbeiteten von dort in Schichtarbeit.

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Das restaurierte Zimmer des Leiters der Handelsstation Dejima. (c) acworks / photo-ac

Das Studium der niederländischen Sprache war zunächst nur den Dolmetschern vorbehalten, doch erlebte es einen raschen Aufschwung, als das Shogunat 1720 das Einfuhr-Verbot von europäischen Büchern aufhob. So entstand Rangaku, wie die Wissensaufnahme über Europa anhand des Mediums der niederländischen Sprache bezeichnet wird.

Doch nicht nur aufstrebende Dolmetscher, auch japanische Mediziner zog es Richtung Dejima, um westliche Medizin zu studieren. Da die Einreise nach Dejima einer vorherigen Erlaubnis bedurfte, wurde es üblich, dass Gelehrte sich in die Häuser berühmter Dolmetscher in Nagasaki einquartierten, bis sie die Erlaubnis erhielten.

1823 änderte sich dies, als der junge deutsche Arzt Philipp Franz von Siebold Dejima erreichte, und eine Sondererlaubnis erhielt, in Nagasaki eine Klinik mit Schule zu eröffnen. Von nun an reisten japanische Mediziner aus ganz Japan nach Nagasaki, um unter Siebold zu lernen. Der Arbeit Siebolds (und seiner Familie) wird in Deutschland unter anderem im Würzburger Siebold-Museum gedacht.

Nicht nur Medizin brachte Siebold aus Europa nach Japan: Mit seiner Einreise 1823 brachte der Arzt ein Klavier mit nach Japan, das heute als das älteste im ganzen Land im Kumaya Museum in Hagi, Yamaguchi, besichtigt werden kann. Andere Neuerungen, die über Dejima Japan erreichten, sind unter anderem Billard, Bier, Kaffee und Knöpfe.

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Philipp Franz von Siebold beobachtet die Einfahrt eines niederländischen Schiffes in die Bucht von Dejima. Farbdruck von Kawahara Keiga.

Die Öffnung Japans und das Ende Dejimas

Mit der Landesöffnung Japans neigten sich sowohl das Tokugawa-Shogunat als auch die Funktion der Insel Dejima ihrem Ende zu. Dem Harris-Vertrag (29.7.1858), einem Freundschafts- und Handelsvertrag mit den USA, folgten ähnliche Verträge aus England und den Niederlanden. Mit diesen verloren die Niederlande ihre Sonderstellung im japanischen Handel.

Dejima wurde frei zugänglich gemacht, ein niederländisches Konsulat wurde eröffnet. Seit einer Landgewinnungsmaßnahme 1904 ist die ehemalige Insel Dejima verschwunden und in Nagasakis Küste integriert worden.

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Seit 1996 werden die ursprünglichen Gebäude Dejimas restauriert. (c) Tzuhsun Hsu / flickr CC BY-SA 2.0

Wiedergeburt Dejimas

Wegen ihrer entscheidenden Rolle für Japans Entwicklung und Fortschritt in die Moderne deklarierte die japanische Regierung Dejima 1922 zu einem wichtigen historischen Kulturgut.

Seit 1951 bemüht sich auch die Stadt Nagasaki, die Insel zu restaurieren, um deren Bedeutung für Japan und die Welt auch zukünftigen Generationen zugänglich zu machen.

Inzwischen sind alle Grundstücke aus dem Privatbesitz in öffentliches Eigentum übergegangen. Seit 1996 werden aktive Restaurationsmaßnahmen durchgeführt. Nicht nur restaurierte Gebäude und Infrastruktur sollen Dejima neu beleben – auch die ursprüngliche Fächerform der Insel soll wieder das Licht der Welt erblicken.

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Noch heute bleibt der historische Charme des ehemaligen Dejima erhalten. (c) Marcel van der Hoek / flickr CC BY-SA 2.0

So erreichen Sie Dejima

Steigen Sie am Bahnhof Nagasaki Ekimae in die Trambahn 1 Richtung Shokakuji Shita. Nach etwa 15 Minuten erreichen Sie die Station Dejima. Das Dejima-Museum mit Ausstellungen und die Lagerhalle Nummer 2 sind von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet, der Eintritt für Erwachsene beträgt 300 Yen. Der Eintritt in die anderen bereits restaurierten Gebäude ist kostenlos.

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Das Modell Dejimas vor der heutigen Landschaft Nagasakis. (c) tjabelijan / flickr CC BY 2.0

Dieser Artikel gehört zur Online-Ausgabe des JAPANDIGEST 2017. Hier finden Sie mehr Artikel aus dieser Reihe – und hier können Sie die Zeitschrift bestellen!

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