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Filmfest Eyes on Japan: Doku-Abend mit NHK

Sina Arauner
Sina Arauner

Einen Abend widmeten die diesjährigen Japanischen Filmtage Eyes on Japan den Betroffenen des Tsunamis, der im März 2011 Teile der Pazifikküste Japans überrollte. Zwei Dokumentarfilme zeigen die persönliche Trauer, aber auch eine erblühende Freundschaft, die der Tragödie folgten.

Dōmo-kun
Dōmo-kun ist das beliebte Maskottchen des Senders NHK. Tagsüber war Dōmo-kun sogar bei den Japanischen Filmtagen anwesend, abends wurden Stoffbeutel verteilt.

Die immense Aufgabe der Katastrophenbewältigung, wie in Japan nach der Dreifachkatastrophe Erbeben, Tsunami und Nuklearkatastrophe 2011 der Fall, ist in Deutschland kaum vorstellbar.

Beim Versuch, die japanische Katastrophenbewältigung in den Medien für Leser in Deutschland aufzubereiten, erklärten Japan-Experten distanziert-analytisch, weshalb die Japaner mit der Katastrophe so umgingen, wie sie es täten. Menschliche Aspekte gingen oft zugunsten einer soziologischen Analyse unter.

Ganz anders die beiden von NHK produzierten Dokumentarfilme, die sowohl das Leid, aber auch unerwartete Freude und neue Freundschaften unter den Betroffenen in den Jahren nach der Katastrophe dokumentierten. Beide Filme zeigen den persönlichen Umgang mit dem Ereignis unter Betroffenen des Tsunamis.

Eyes on Japan zeigte die Filme in Kooperation mit NHK World im Englischen Originalton mit Untertiteln japanischer Passagen.

Das Telefon des Windes: Geflüster an die Verlorene Familie

Noch bevor der 11. März 2011 Japan erschütterte, errichtete der Gärtner Sasaki Itaru in seinem Garten eine Telefonzelle. Das Telefon ist nicht angeschlossen, doch in der Trauer um seinen kurz vorher verstorbenen Cousin, war es eine Möglichkeit für Sasaki, seine Gefühle hörbar zu machen. Auch wenn es nur der Wind war, der seine Stimme davon trug. Daher gabe er dem Telefon den Namen „Telefon des Windes“.

Sasaki lebt in der Stadt Ōtsuchi in der Präfektur Iwate. Bei dem Tsunami, der dem Erdbeben 2011 folgte, kamen über 800 Menschen zu Tode, Mehr als 400 Personen werden noch immer vermisst.

telefon des windes
Das „Telefon des Windes“ im Garten Sasakis. (c) mikinee /Wikimedia commons

Nachdem der Tsunami die Stadt Ōtsuchi zerriss, machte Sasaki seine Telefonzelle der Öffentlichkeit zugänglich. Das „Telefon des Windes“ wurde ein integraler Teil der Verlustbewältigung in Ōtsuchi:

Eine Dame bringt ihre beiden Enkel zur Telefonzelle. Sie hat ihren Ehemann, den Großvater der Kinder, im Tsunami verloren. Die Kinder sprechen ins Telefon, erzählen dem Wind wie es in der Schule läuft und dass es allen gut geht. Ein knappes „bye bye“ kennzeichnet das Ende der Unterhaltung, die eine ganz alltägliche hätte sein können.

Viele Unterhaltungen laufen ähnlich ab. „Es geht uns gut, mach dir keine Sorgen.“, „Ich hoffe dir geht es gut und du ernährst dich gesund.“, „Hoffentlich hast du dich nicht erkältet, wo du bist.“ – es sind Zusprüche der Hoffnung, die die Hinterbliebenen von Vermissten mit dem Telefon teilen.

Menschen bräuchten Hoffnung, um zu leben, sagt Sasaki, und diese Hoffnung wird, trotz Tränen, Trauer und Verzweiflung bei den Besuchern der Telefonzelle deutlich. Das „Telefon des Windes“ erlaubt ihnen, frei von der Seele zu sprechen, es verbindet sie mit den in Gedanken und im Herzen Zurückgebliebenen. Der Wind trägt ihre Stimme davon, trägt sie zu jenen, die sie lieben.

Das Tor: eine pazifische Reise

Am 22. März 2013 spülte an der Küste Oregons in den USA ein Stück Treibholz an. Es war jedoch kein gewöhnliches Treibholz. Es handelte sich um den Teil eines torii, ein Tor, das an japanischen Schreinen den Eingang zum heiligen Bereich markiert.

Durch Zufall erfuhr der Kurator des Japanischen Garten in Portland, Uchiyama Sadafumi, von dem angespülten Artefakt. Der gebürtige Japaner wusste sofort worum es sich handelte, und wie wichtig es war, das torii an seinen angestammten Platz zurück zu bringen. Ohne Möglichkeit, das kasagi, wie dieser Teil des torii genannt wird, zu identifzieren, war dies jedoch nicht möglich.

Einen Monat später wurde ein weiteres kasagi angespült. An diesem war noch ein Teil der Inschrift zu erkennen: Takahashi Toshimi war als Sponsor des torii genannt.

Der Japanische Garten Portland sah es als Mission, die beiden kasagi in ihre rechtmäßige Heimat zurückzubringen. Über ein Jahr später und mithilfe zahlreicher Unterstützung trug die Recherche schließlich Früchte: Das kleine Firscherdorf Ōkuki in der Präfektur Aomori vermisste seit dem Tsunami zwei torii. Eines der beiden war 1988 von dem Fischer Takahashi Toshimi gewidmet worden.

Mithilfe von Spenden schickte der Japanische Garten Portland beide kasagi auf die lange Reise zurück über den Pazifik. Im Oktober 2015 kamen die kasagi unversehrt im Ōkuki an.

Der Istukushima Schrein, vor welchem die torii wieder aufgebaut wurden, liegt auf der Halbinsel benten-jima vor dem Hafen von Ōkuki. Die Halbinsel ist eine Brutstätte der Japanmöwe.

Der Schreiner, der die torii vor 40 Jahren anfertigte, lebte noch immer in Ōkuki und übernahm bereitwillig die Restauration der kasagi. In einer Inschrift widmete er den Dank der Bewohner Ōkukis dem Japanischen Garten Portland. Der Schrein, an dem die torii stehen ist für Ōkuki besonders wichtig: An ihm wird für die Sicherheit vor dem Meer gebetet.

Mit der Rückkehr der kasagi nach Japan begann ein Freundschaft zwischen der lokalen Gemeinde und dem Japanischen Garten Portland, die zwei Länder an anderen Enden eines Ozeans miteinander verbindet.

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