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Einführung in die japanische Sprache

Matthias Reich
Matthias Reich

Wie ist die japanische Sprache entstanden? Wie ist sie aufgebaut und was macht sie einzigartig? Und, am wichtigsten: Ist sie wirklich so schwer zu erlernen, wie immer vermutet wird?

Hiragana
Ein Übungsheft mit Hiragana - dem vergleichsweise einfachen Silbensystem.

Woher das Japanische kommt ist nicht ganz sicher, aber man vermutet, dass es zur uralo-altaischen Sprachfamilie gezählt werden kann. Zu dieser Familie zählen die finno-ugrischen Sprachen einerseits (Finnisch, Ungarisch u.a.) und die altaischen Sprachen andererseits (Mongolisch, Koreanisch, aber auch Türkisch u.a.). Koreanisch ist dem Japanischen am nächsten.

Aussprache

Japanisch ist eine Silbensprache. Es gibt nur einen einzigen, freistehenden Konsonanten (n ん), alle anderen Silben setzen sich aus einem Konsonanten und einem Vokal zusammen (z.B. k + o = ko こ). Wie im Deutschen gibt es die Vokale a, i, u, e und o. Deshalb heißt das japanische Alphabet A-I-U-E-O (あ-い-う-え-お).

Die Aussprache des Japanischen ist, verglichen z.B. mit Chinesisch, einfach. Auf Langvokale sollte man achten, z.B auf ō und ū (heißt es nun kōkyo, kokyō, kōkyō oder kokyo?). Betonungsunterschiede (sogenannte Tonhöhenakzente) sind aber eher selten. So zum Beispiel auch das Wort hashi. Je nach Betonung kann es Brücke (橋), Kante (端) oder Essstäbchen (箸) bedeuten.

Im Japanischen gibt es sehr viele Homonyme, also Wörter gleicher Aussprache, aber unterschiedlicher Bedeutung. Beispiel: kōkai. Hat über 11 Bedeutungen. Entweder man begreift die richtige Bedeutung aus dem Zusammenhang oder anhand der Schriftzeichen. Die hohe Zahl der Homonyme bringt Wortspiele wie folgendes hervor: sumomo mo momo mo momo no uchi (李も桃も桃の内, “Pflaume und Pfirsich zählen zu den Pfirsichgewächsen”).

Grammatik

Die guten Nachrichten zuerst: Es gibt (außer Ausnahmen) keinen Plural, Substantive werden nie dekliniert, Artikel und Geschlecht sowie Fälle gibt es auch nicht. Und das Verb steht immer am Satzende. Jetzt die schlechten Nachrichten: Irgendwie muss man die Grammatik ja regeln. Im Japanischen geschieht dies mit Partikeln wie ha (は, sprich wa), wo (を, sprich o), ga (が), no (の), de (で) und ni (に), um die Wichtigsten zu nennen. Die Partikel joshi (助詞) werden heute fast immer in Hiragana geschrieben. Ein Beispiel für die Funktion der Partikeln – hier no als Genitivpartikel:

田中さんの犬 – Tanaka-san no inu

Tanaka-san = Frau/Herr Tanaka, inu = Hund, dazwischen die Genitivpartikel no = der Hund von Frau Tanaka. Als Eselsbrücke kann man sich das no vorstellen wie das Genitiv-s: Frau/Herr Tanakas Hund.

Japanisch agglutiniert, d.h. alle relevanten Endungen werden an das Verbende angefügt. Das Verb kann damit sehr lang werden! Beispiel: au (会う, treffen) wird zu aitakunakattara (会いたくなかったら, “Wenn ich sie/ihn nicht treffen wollte”. Die japanische Satzstruktur ist somit zumeist gänzlich anders als die der indogermanischen Sprachen.

Eine weitere Kostprobe?

私はあなたが好きです。 – Watashi ha anata ga suki desu.

Wort-für-Wort-Übersetzung: Ich – Subjektpartikel – Du – Partikel zur Objektbestimmung – gern – Höflichkeitsendung. „Was mich betrifft, so hab ich Dich gern“ – respektive „Ich mag Dich“.

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Man hat auch im Japanischen Personalpronomen (dairi meishi, 代理名詞). Sogar ziemlich viele: allein für Ich gibt es je nach sozialer Stellung und Rolle des Gesprächspartners verschiedene: watashi (私, neutral), watakushi (私, höflich), washi (わし, ältere Männer), atashi (あたし, junge Frauen), ore (俺, junge Männer, wirkt etwas aggressiv), boku (僕, Jungen/Männer mittleren Alters )…

Interessant ist jedoch, dass man diese Personalpronomen viel weniger benutzt als im Deutschen oder Englischen. Genau genommen verzichtet man damit sogar oft vollständig auf ein Subjekt (shugo) 主語:

Frage: どこに住んでいますか? – Doko ni sunde imasu ka?
Wörtlich „Wo wohnen?“, zu Deutsch „Wo wohnen Sie?“.

Antwort: ベルリンの近くの小さい町に住んでいます。- Berurin no chikaku no chiisai machi ni sunde imasu.
Wörtlich „Nahe Berlin Kleinstadt in wohnen“, bzw. „Ich wohne in einer Kleinstadt nahe Berlin.“

Kein Subjekt – kein „ich“ oder „du“. Warum auch? Wenn man denjenigen dabei ansieht, ist doch klar, wer gemeint ist! In manchen Fällen wäre es gar unhöflich, dem Gegenüber ein „du“ bzw. „Sie“ entgegenzuschleudern.

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Schrift

Die vielen Schriftzeichen machen das Lernen des Japanischen sehr schwierig für nicht-asiatische Ausländer (Chinesen und Koreaner sind natürlich im Vorteil). Japanisch selbst war dereinst schriftlos, und so führten Gelehrte ab dem 5. Jahrhundert die chinesischen Schriftzeichen in Japan ein. Dummerweise hat Chinesisch mit Japanisch nicht das geringste gemein, weshalb die Zeichen in einem sehr langwierigen Prozess phonetisch adaptiert werden mussten. Diese Zeichen heißen Kanji (漢字), chinesische Zeichen.

Aufgrund der langwierigen Adaption der Schriftzeichen bildeten sich verschiedene Lesarten für die japanischen Kanji. Die on-Lesung (音読み) lehnt sich an die Lesung im Chinesischen an, es gibt aber auch noch die rein japanische kun-Lesung (訓読み). Chinesisch besteht zwar ausschließlich aus den komplexen Schriftzeichen, aber dort gibt es in der Regel nur eine, selten zwei Lesarten, wodurch Chinesisch leichter zu erlernen ist.

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Zusätzlich entstanden in Japan vom 9. bis 11. Jahrhundert zwei Silbenalphabete (Kana, 仮名): Zuerst die rundlichen Hiragana (einst Frauenschrift), später die kantigen Katakana (von Mönchen entwickelt). Man kann jedes japanische Wort mit diesen Kana (je 46 Zeichen) schreiben. Da es aber, wie eingangs erwähnt, soviele Homonyme gibt, sind nur mit Kana geschriebene Sätze oft kaum zu verstehen.

Beispiel: Der oben erwähnte Satz sumomo mo momo mo momo no uchi (李も桃も桃の内, “Pflaume und Pfirsich zählen zu den Pfirsichgewächsen”) sähe in Hiragana so aus: すもももももももものうち。
Da im Japanischen keine Leerzeichen zwischen den Wörtern stehen, wäre zwischen all den mo (も) kein Sinn mehr zu erkennen. Deswegen braucht das Japanische die Kanji.

Geschriebenes Japanisch der heutigen Zeit ist eine bunte Mischung aus Hiragana, Katakana und Kanji. Katakana werden vor allem verwendet, um aus Fremdsprache ins Japanische eingeflossene Wörter wiederzugeben. Neben englischen Vokabeln wie エアコン (eakon, kurz für Air Conditioning), die Klimaanlage, findet man auch viele deutsche Wörter wie フランクフルト (furankufuruto), Frankfurter Würstchen.


Der Artikel von Matthias Reich erschien auf dem Blog Tabibito und wurde für die Online-Ausgabe nachbearbeitet.

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